Ausgelassene Stimmung im Töpferdorf - 300 Besucher im Bergscheider Hof



„Hoffentlich kommen wir damit aus“, lachte Malou Dobbelstein am Morgen im Bergscheider Hof und schaute auf die lange Schlange der Au Wiever, die zum Frühstück herbeigeströmt waren. 700 Eier, 450 Brötchen und zehn Schwarzbrote warteten darauf, verspeist zu werden.

Die jüngste Karnevalistin im Bergscheider Hof war sechs Monate alt.

Nachdem die Mägen voll und die Närrinen gestärkt waren, wurde geschunkelt und getanzt. Nach dem Einmarsch von Prinz Cedric I. sorgten Gruppen wie De Hondsjonge, Kowalski & Chouk, Los Cannonos oder José sowie die Spaßvögel für Stimmung im proppevollen Saal. Zum krönenden Abschluss stürmte Sven ohne Girls die Bühne und wurde vom Publikum gefeiert. Die Präsidentin des Altweiberkomitees „De Blömcher“, Sylvie Lorenzen, bezifferte die Zahl der Gäste auf rund 300.

Helmi Koch-Kistemann und Edith Teller-Mathee waren seit den Anfängen im Bergscheider Hof dabei. Den Altweibertag in einer anderen Gemeinde zu verbringen, kommt für die Ur-Raerenerinnen nicht in Frage. „Hier ist es sehr familiär. Außerdem ist es praktisch, wenn man nicht mehr kann, geht es zu Fuß nach Hause“, sind sich die beiden einig. Ihr Hauptargument, in den Bergscheider Hof zu kommen, lautet aber: „Wir sind Karnevalisten durch und durch.“

Karnevalistisches Erbgut hat auch Aurora Baumann bereits in die Wiege gelegt bekommen. Sie ist gerade erst sechs Monate alt und war schon mitten im Trubel. Interessiert schaute sie mit großen Augen auf das bunte Treiben. Ihr Vater, Tobias Baumann, erklärte: „Wir kommen jedes Jahr mit der ganzen Familie her. Für uns war klar, dass die Kleine auch mitkommt. In Raeren kann man das machen. Hier wird nichts passieren. Schließlich kennt jeder jeden.“ Dennoch trug die jüngste Karnevalistin im Saal Ohrenschützer, um die Lautstärke der Musik zu dämpfen. Für Silke Bormann gibt es nichts Schöneres als eben diese Karnevalsmusik. Die Krankenschwester ist von Kindesbeinen an vernarrt in die fünfte Jahreszeit. Kein Wunder, dass sie als Vize-Präsidentin vom Altweiberkomitee „De Blömcher“ die Aufgabe übernommen hat, Prinz Cedric I. und sein Gefolge zu begrüßen. Außerdem verpasste sie den Gemeindeverantwortlichen bei der Schlüsselübergabe auf der Bühne ein paar saftige Seitenhiebe. In Bezug auf das Bahnhofsgelände hieß es in ihrer Rede: „Auch nach drei Jahren tut sich nicht viel, es ist das reinste Trauerspiel.“ An der Umgestaltung des Dorfplatzes ließ die Redenschwingerin ebenfalls kein gutes Haar. Sie bezog im Streit um die Position des Kriegsdenkmals ganz klar Position: „Das Denkmal aus vergangenen schlimmen Zeiten darf nur noch im hinteren Eck verweilen. Einen verrosteten Kasten baute man an seiner Stelle, mit kaputten Tontopfmodellen. Ein Platz der Generationen soll der Platz doch sein, da gehört das Denkmal doch wohl wirklich hinein“, wetterte sie. Auch die Abholzung der Bäume an der Autobahn und die baldigen Arbeiten an der Hauptstraße wurden scherzhaft aufgegriffen. Im Gespräch mit dem GrenzEcho erklärte Silke Bormann, diese politischen Sticheleien seien wichtig. Es sei eben die Gelegenheit, auf satirische Weise aufzuzeigen, was in der Gemeinde schief laufe. Abgesehen von dieser Rüge an die Politik stehe aber das Feiern im Vordergrund.

Ganz in diesem Sinne zog der Altweiberzug dann auch nach der Schlüsselübergabe los. Begleitet wurden die Au Wiever von der „Blauew Moandag Kapel“ aus Holland. Die Herren waren bereits zum dritten Mal dabei, als die Damenwelt durch das Töpferdorf zog. Hans Hulink spielte das Sousaphon, eine Art Tuba, in der reinen Männerband. „In Holland ist donnerstags nie was los. Und hier ist eine verrückte Stimmung. Es macht Spaß, mit den Alten Weibern zu ziehen. Und in diesem Jahr ist der Weg auch ein wenig kürzer als im letzten Jahr“, freute er sich. Der Zug zog zuerst zur Brennerei Radermacher, wo das eine oder andere Schnäpschen geschluckt wurde. Musikalische Begleitung leistete dort der Karnevalskünstler Gino.

Der Altweiberzug machte Halt in der Brennerei Radermacher, bevor es weiter ging zu Prinz Cédric I.

Der Marsch ging später weiter zum Prinzenpalais, wo Marc Bull und D’r Sach auftraten. „Es passt ganz gut, dass wir Raerener Künstler engagieren konnten“, freute sich Silke Bormann über die somit erfolgte Stärkung des lokalen Karnevals. Insgesamt waren sie und die Präsidentin des Altweiberkomitees, Sylvie Lorenzen, sehr zufrieden mit dem Ablauf des Tages. „Es ist jedes Jahr mit viel Arbeit verbunden. Immerhin sind nur neun Frauen im Komitee. Wir haben zwar viele Helfer, aber das Ganze zu stemmen, ist nicht so leicht. Wenn man dann aber die vielen lachenden und feiernden Menschen sieht, wiegt das einiges auf“, erklärte Silke Bormann.

Daniel Gilles sieht es genauso. Der Raerener wohnt seit geraumer Zeit in Lichtenbusch und war seit zehn Jahren erstmals wieder in seiner Heimatgemeinde mit am Start – und es hat ihm eine Menge Spaß gemacht. Er war jedenfalls überzeugt: „Frauen feiern einfach besser Karneval als wir Männer. Wir sind oft zu reserviert und zu verkrampft. Das ist bei den Frauen anders. Sie feiern viel ausgelassener. Wir Männer können da noch etwas lernen.“