Wahlkampf mit Terror



Mit knallharten Worten kündigt Theresa May eine härtere Gangart an. „Jetzt reicht’s!“, schmettert die britische Premierministerin den Terroristen entgegen, die ihr Land zum dritten Mal in drei Monaten angegriffen haben. Nur wenige Stunden nach der Attacke mit mehreren Toten und Dutzenden Verletzen mitten ins Herz Londons meldete sich die konservative Regierungschefin zu Wort.

Bei der Terrorbekämpfung müsse sich etwas ändern, sagte sie wenige Tage vor der Parlamentswahl und präsentierte sogleich einen Plan. So dürfe etwa das Internet Extremisten keinen Rückzugsort bieten. Mit Entschlossenheit und Führungsstärke will May im Schlussspurt des Wahlkampfs punkten. Ihr Widersacher, Labourchef Jeremy Corbyn, forderte am Montag dagegen den Rücktritt Mays: Sie sei schließlich für starke Kürzungen im Polizeibereich mitverantwortlich.

In Großbritannien gibt es Experten zufolge eine recht große islamistische Szene. Birmingham und Manchester gelten als Brennpunkte, auch Viertel in London. Eine Studie der britischen Denkfabrik „The Henry Jackson Society“ zeigte, dass viele Verbrechen mit islamistischem Hintergrund von Tätern begangen werden, die im Königreich geboren sind oder eine doppelte Staatsbürgerschaft haben.

Experten sprechen von Terrorismus, der im eigenen Land entstanden ist. „Die Hauptbedrohung, der wir momentan gegenüberstehen, scheint nicht aus dem Ausland gesteuert zu sein“, sagt am Montag auch die Londoner Polizeichefin Cressida Dick in einem BBC-Interview. Die Täter sind meistens junge Männer, wie Untersuchungen zeigen.

Nach Angaben der Regierung vereitelten britische Sicherheitsbehörden in den vergangenen vier Jahren 18 geplante Terroranschläge. Der Inlandsgeheimdienst MI5 soll um die 500 Ermittlungen gleichzeitig führen. Jederzeit gibt es den Angaben zufolge bis zu 3000 Menschen, die für den Geheimdienst von besonderem Interesse seien.

Auch beim Anschlag von London im März und bei der Attacke in Manchester vor etwa zwei Wochen waren die Täter zuvor dem britischen Geheimdienst aufgefallen. Verhindert hat das die Attentate nicht.

Wird das sensible Thema Terrorbekämpfung nun das enge Rennen am Donnerstag entscheiden? May will mit der vorgezogenen Wahl die Mehrheit der Konservativen im Parlament ausbauen und so mehr Rückendeckung für die Brexit-Verhandlungen bekommen.

Anfangs schien ihr der Sieg schon sicher. Mehr als 20 Prozentpunkte lagen die Konservativen vor Labour. Dann das böse Erwachen: Der Abstand schrumpfte auf wenige Prozentpunkte zusammen.

Denn May machte taktische Fehler. So boykottierte sie gemeinsame TV-Duelle mit Corbyn und löste einen Streit um Pflegekosten aus. Sich jetzt nach einem Terroranschlag als starke Politikerin zu zeigen, das könnte vielleicht von innenpolitischen Problemen ablenken.

Ohnehin haben die Briten – wie Umfragen zeigen – viel mehr Vertrauen zu May als zum Altlinken Corbyn, geht es um das Amt des Premiers. Die 60-Jährige unterstreicht das mit ihrem Wahlkampf-Mantra „strong and stable“ – stark und stabil soll das Land unter ihrer Führung sein.

Labourchef Jeremy Corbyn fordert den Rücktritt von Theresa May.

Doch May war sechs Jahre lang Innenministerin, in dieser Zeit hatte der Polizeiapparat gewaltig Federn lassen müssen, um Kosten zu sparen. May sei mitverantwortlich dafür, dass es jetzt 20 000 Polizisten weniger gebe als 2010, sagt Corbyn. Er verspricht, bei einem Wahlsieg 10 000 Polizisten mehr einzustellen. Das Rennen um die Macht dürfte bis zur Schließung der Wahllokale spannend bleiben.

Möglicherweise interessiert viele Briten inzwischen ohnehin mehr die Sicherheitslage als die Neuwahl. Gleich drei Angriffe in drei Monaten – und fünf weitere wurden laut May im selben Zeitraum vereitelt. Solche Zahlen dürften so manchen in Großbritannien aus der Fassung bringen.

Einen weiteren Anschlag schloss auch Polizeichefin Dick nicht aus. Es sei „sicherlich möglich“, dass die Angriffe in Manchester und London einen weiteren Anschlag nach sich zögen, sagte Dick. (dpa)