Kindergeld: Was bringt die Reform?



Warum ist die DG jetzt für die Auszahlung des Kindergeldes zuständig geworden?

Bisher lag die Zuständigkeit beim Föderalstaat, doch im Zuge der sechsten Staatsreform ist die Auszahlung des Kindergeldes an die Gemeinschaften übertragen worden, also auch an die DG. Um über genügend Zeit für die Ausarbeitung eines eigenen Systems zur verfügen, wurde eine Übergangsfrist vorgesehen, während derer die föderale Agentur für Kindergeld, Famifed, die Familienleistungen weiterhin verwaltet. Spätestens 2020 müssen die Teilstaaten die Verwaltung in Eigenregie übernehmen. In der DG tritt die Reform bereits zum 1. Januar 2019 in Kraft. Dazu hatte es eine breite Konzertierung gegeben, und eine Arbeitsgruppe hatte Empfehlungen formuliert. Im frankofonen Landesteil wurde die Ausübung der Befugnis übrigens von der Französischen Gemeinschaft an die Wallonie übertragen.

Wie ist das Kindergeld-System heute aufgebaut?

Das Kindergeld für Arbeitnehmer ist in Belgien 1930 mit dem Ziel eingeführt worden, die Geburtenrate zu steigern, die Familien bei den Kosten zur Erziehung der Kinder zu entlasten und die Armut zu bekämpfen. Vor diesem Hintergrund ist das Kindergeld bislang gestaffelt: Für das erste Kind gibt es 95,81 Euro, für das zweite 177,28 Euro und für jedes weitere 264,68 Euro (die genannten Beträge gelten laut Famifed ab Oktober 2018). Hinzu kommen Alterszuschläge, die ebenfalls gestaffelt sind. Das bedeutet, diese Summen steigen mit zunehmenden Alter der Kinder an.

Wie viele Kinder oder Familien in der DG sind betroffen?

Zum 30. Juni 2017 hatten in Ostbelgien 14.707 Kinder ein Anrecht auf Kindergeld.

Was ändert sich jetzt?

Bis zum 1. Januar 2019 bleibt alles wie bisher. Doch dann wird die Kindergeld-Reform greifen, die am Montag vom PDG beschlossen werden soll. Wichtigste Änderung im „Dekretentwurf über die Familienleistungen“ ist unter dem Motto „ein Kind ist ein Kind“ die Einführung eines Basisbetrages: Unabhängig von der Anzahl Kinder erhält man ab Anfang 2019 monatlich 157 Euro pro Kind. Die Beträge werden also nicht mehr gestaffelt wie bisher. Ab dem dritten Kind gibt es in Zukunft eine Zulage für kinderreiche Familien von 135 Euro pro Monat. Die Alterszuschläge werden gestrichen.

Gilt die Kindergeld-Reform für alle Familien?

Alle Familien, die – verglichen mit dem bisherigen System – durch das neue System mehr Kindergeld erhalten, wechseln automatisch und direkt zum 1. Januar 2019 in das neue System. Für Familien, die durch einen Wechsel weniger Geld als bisher bekommen würden, werden die Beträge, die sie zu diesem Zeitpunkt erhalten, eingefroren und weiter ausgezahlt („Stand-still“-System). Dieser Übergangsmechanismus gilt solange, bis sich die Zusammensetzung der Familie ändert. Die eingefrorenen Beträge sind nicht indexiert.

Was kostet das Ganze?

Für das bislang geltende System in der DG bringt der Föderalstaat knapp 34,6 Millionen Euro auf. Wegen einer komplizierten Finanzierungsregel überweist der Föderalstaat aber weniger Geld an die DG. Für 2019 geht es beispielsweise um rund 200.000 Euro weniger. Weil die Ausgaben für das Kindergeld im Zuge der anvisierten Reform aber um rund 1,25 Millionen Euro steigen, steuert die DG etwa 1,45 Millionen Euro aus Eigenmitteln bei (Zusatzkosten für die Reform von 1,25 Millionen Euro + 200.000 Euro, die der Föderalstaat weniger gibt).

Warum wird das bisherige System eigentlich geändert?

Das neue Kindergeld werde für mehr Gerechtigkeit sorgen, denn jedes Kind werde künftig gleich behandelt und erhalte den gleichen Basisbetrag, unabhängig von der Rangfolge der Kinder, argumentieren DG-Regierung und Mehrheit. Familien würden gleich zu Beginn der Kindergeldkarriere unterstützt und nicht erst, wenn sie kinderreich werden. Zudem werde in der DG in Zukunft belgienweit im Schnitt das höchste Kindergeld ausgezahlt. Außerdem sei das neue Modell deutlich einfacher als bisher, weil mit einheitlichen Basisbeträgen gearbeitet wird und gestaffelte Zuschläge wegfallen.

Wer profitiert am meisten?

Unbestritten ist, dass die Ein-Kind-Familien von der Kindergeld-Reform am meisten profitieren werden. Sie stellen in Ostbelgien auch die größte Gruppe. Zum Vergleich: In der DG gibt es insgesamt 8.417 Familien, die Kindergeld erhalten. Davon gibt es 3.838 Familien mit einem Kind, 3.266 mit zwei, 1.031 mit drei, 223 mit vier und 59 mit fünf oder mehr Kindern.

Die CSP möchte aber dagegen stimmen. Warum?

Die CSP findet einige Dinge der Reform gut. Größter Kritikpunkt ist aber die Abschaffung der Alterszuschläge, die bislang mit dem Alter und Ansprüchen der Kinder anwachsen. Langfristig wirke sich das negativ für kinderreiche Familien aus und mache diese zu „Verlierern“. „Eine Familie mit zwei Kindern erhält im neuen System schon ab dem Zeitpunkt weniger Geld, wenn beide Kinder das sechste Lebensjahr vollendet haben“, rechnet Colin Kraft vor. Er ist CSP-Fraktionsmitarbeiter und Spitzenkandidat für die nächsten PDG-Wahlen Ende Mai 2019.

Was antwortet der Minister?

Der zuständige Familienminister Antonios Antoniadis (SP) findet die Kritik viel zu pauschal. Die CSP habe bei ihren Berechnungen „perfekte Negativbeispiele“ herausgesucht. Genauso gut gebe es Zwei-Kind-Familien und kinderreiche Familien, die profitieren würden. Die einzige Aussage, die man pauschal treffen könne, sei, dass Ein-Kind-Familien von der Reform deutlich profitieren würden..

Was ist von der Diskussion zu halten?

Es stimmt, dass die Reform zu einer drastischen Vereinfachung wird, die das Kindergeld-System deutlich übersichtlicher macht. Es stimmt ebenfalls, dass Ein-Kind-Familien im Vergleich zu heute profitieren werden. Es stimmt aber auch, dass es kinderreiche Familien gibt, die im alten System mehr Kindergeld bekommen hätten, wenn man die bestehenden Regeln zum Vergleich nimmt. Wegen der heute noch geltenden gestaffelten Beträge ist es allerdings sehr kompliziert, die verschiedenen System miteinander zu vergleichen.

Was kritisiert die CSP noch?

Sie moniert auch, dass Patchworkfamilien nicht berücksichtigt würden. Beispiel: Eine Frau mit zwei Kindern lernt einen Mann mit zwei Kindern kennen. In diesem Fall wird das Kindergeld getrennt ausgezahlt – also jeweils 314 Euro (157×2) für die beiden Kinder. Es gibt dann keinen Zuschlag für kinderreiche Familien (135 Euro pro Kind). Antoniadis argumentiert unter anderem, man könne nicht jeden Fall in einem Gesetzestext berücksichtigen. Was sei beispielsweise bei einem geteilten Sorgerecht? Wie werde das Kindergeld dann ausgezahlt? Die CSP hatte eine ganze Reihe von Abänderungsvorschlägen gemacht. Für die Regierung kommen diese aber viel zu spät: Sie seien erst hinterlegt worden, als die (jahrelangen) Gespräche über die Reform schon auf der Zielgeraden waren. Außerdem seien die Abänderungsvorschläge (Kosten von mindestens vier Millionen Euro im Jahr) nicht zu finanzieren.

Gibt es noch andere Zuschläge beim Kindergeld?

Ja, Familien mit dem „Statut der erhöhten Kostenrückerstattung“ erhalten einen Sozialzuschlag von 75 Euro pro Monat pro Kind. Kinder mit einer Beeinträchtigung werden wie bisher die gleichen Beträge nach den gleichen Berechnungsmechanismen erhalten. Nach der Reform gibt es für jedes Kind eine einheitliche Geburts- oder Adoptionsprämie von 1.144 Euro. Darüber hinaus wird der Jahreszuschlag in Höhe von 52 Euro künftig ab der Geburt gewährt (bisher erst ab sechs Jahre).

Was ist mit dem Halbwaisenzuschlag?

Dieser sollte zunächst durch den Sozialzuschlag ersetzt werden, wird nun aber gewährt. Er beträgt 120 Euro. Problematisch findet die CSP aber, dass bedürftige Kinder – die ein Anrecht auf einen Sozialzuschlag haben und plötzlich ein Elternteil verlieren – den Halbwaisenzuschlag zwar bekommen, in dem Fall aber den Sozialzuschlag verlieren. Antoniadis antwortet, damit sei man den Vorschlägen der Arbeitsgruppe gefolgt.

Was wird aus den Vollwaisen?

Die Vollwaisen bekommen zurzeit 360,83 Euro. Es gibt allerdings keine Alterszuschläge. Im neuen System wird es 157 Euro Basisbetrag und einen Zuschlag in Höhe von 239 Euro geben (unter dem Strich also 396 Euro.)

Welche Kinder in der DG haben Anrecht auf Kindergeld?

Alle Kinder, die ihren gesetzlichen Wohnsitz in der DG haben. Die DG zahlt aber nur für diejenigen das Kindergeld, die nicht im Ausland Kindergeld erhalten bzw. nur den Unterschied, wenn das Kindergeld, das die Familie aus dem Ausland bekommt, niedriger ist als das Kindergeld der DG.

Wer zahlt das Kindergeld bei Grenzgängern?

Die Auszahlung im Ausland ist durch EU-Recht geregelt. Daran ändert sich nichts. Grundsätzlich gilt: Wenn beide Elternteile im Ausland arbeiten, zahlt das Land des Arbeitsplatzes. Arbeitet jedoch ein Elternteil in Belgien und der andere in Deutschland, kommt Belgien prioritär für das Kindergeld auf. Wenn das Kindergeld im Ausland höher ist, dann zahlt die DG oder Belgien das Kindergeld in voller Höhe und das Ausland die Differenz zwischen den beiden Beträgen.

Wie lange wird das Kindergeld ausgezahlt?

Bis zum 18. Lebensjahr hat jedes Kind ein bedingungsloses Recht auf Kindergeld. Kinder, die einem Unterricht folgen oder eine Lehre absolvieren, erhalten auch nach ihrem 18. Geburtstag Kindergeld (bis zum 25. Geburtstag).

Was passiert, wenn ein Kind einen Lehrlings- oder Studentenvertrag hat?

Die Höhe der Lehrlingsentschädigung sowie die Vergütung, die über Studentenverträge erworben wird, haben in Zukunft keinen Einfluss mehr auf die Auszahlung des Kindergeldes.