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<p>Probanden, mit grünen Mützen und Punkten zur Kameraerfassung markiert, simulieren im Rahmen eines Fußgänger-Experiments den Ein- und Ausstieg am Bahnsteig. Ziel des Projekts des Forschungszentrums Jülich sind neue Konzepte zur Steigerung der Sicherheit in überfüllten Bahnhöfen.</p>
Probanden, mit grünen Mützen und Punkten zur Kameraerfassung markiert, simulieren im Rahmen eines Fußgänger-Experiments den Ein- und Ausstieg am Bahnsteig. Ziel des Projekts des Forschungszentrums Jülich sind neue Konzepte zur Steigerung der Sicherheit in überfüllten Bahnhöfen. | Foto: Oliver Berg/dpa

Düsseldorf/Jülich

Sie tragen schwarze Kleidung und giftgrüne Kappen, auf denen ein QR-Code befestigt ist: 1.500 Versuchspersonen drängeln seit Freitag in Düsseldorf im Dienst der Wissenschaft. In einer Veranstaltungshalle simulieren sie vier Tage lang das Gedränge und Geschiebe auf dem Bahnsteig in unterschiedlichen Situationen. Simuliert wird der Aufenthalt auf einem Bahnsteig oder das Ein- und Aussteigen an Zugtüren. Die Forscher werden mit Kameras über ihren Köpfen die Bewegungen der Probanden aufzeichnen und Daten wie Herzschlag und Stresslevel erfassen.

Ziel im Rahmen des CroMa-Projektes sind neue Konzepte zur Steigerung der Sicherheit, des Komforts und der Effizienz in überfüllten Bahnhöfen. Die Bundesregierung fördert die Experimente mit 3,4 Millionen Euro. Bei 36 Millionen Passagieren im Öffentlichen Nahverkehr pro Tag - Tendenz steigend - gelte es, Belastungsspitzen abzufedern und die Bahnsteige baulich darauf einzustellen, sagte Prof. Armin Seyfried. Wo sollten Bänke, Papierkörbe, Fahrpläne und Wagenstandsanzeiger stehen? Wo warten die Leute am liebsten? „Es gibt Menschen, die lieber im Gefahrenbereich nahe der Bahnsteigkante warten als Anderen zu nahe zu kommen. Andere fühlen sich nur mit einer Wand im Rücken wohl“, berichteten die Forscher der Universitäten Wuppertal und Bochum sowie des Forschungszentrums Jülich.

Berufspendler verhalten sich anders als Fernreisende mit Gepäck oder alkoholisierte Fußballfans. In anderen Ländern trennen Wände mit Durchlässen die Menschenmenge von den Gleisen. Dies sei in Deutschland wegen der unterschiedlichen Zugtypen nicht möglich. Auch sogenannte „Pusher“, die Menschen wie in Japan in die Züge drücken und Nachzügler fernhalten, sind im Versuchsdesign nicht vorgesehen.

Eine Lösung könnten aber Füllstandsanzeiger für die Züge sein: Wenn die Passagiere vorher wüssten, in welchen Waggons die leeren Plätze auf sie warten, könnte das Gedränge auf den Bahnsteigen entzerrt und deren volle Länge besser genutzt werden. Acht Doktorarbeiten sollen aus den Experimenten entstehen. Wegen der Corona-Pandemie waren die Drängel-Experimente um eineinhalb Jahre verschoben worden. Nicht zuletzt könnten Maßnahmen, besonders dichtes Gedränge zu reduzieren, auch das Infektionsrisiko mindern.

Der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel erklärt hierzu: „Bahnhöfe sind die zentralen Knotenpunkte unseres öffentlichen Fern- und Nahverkehrs, die täglich von Millionen von Bürgerinnen und Bürgern im ganzen Land genutzt werden. Unser Ziel besteht darin, dass zukünftig noch mehr Menschen die Bahn nutzen und wir damit einen Beitrag zur Reduzierung unserer CO2-Emissionen leisten können. Deshalb möchten wir mit dem vom Bundesforschungsministerium geförderten CroMa-Projekt Bahnreisen sicherer, effizienter und nutzerfreundlicher gestalten. So können Durchsagen, Anzeigeschilder und Bahnsteige auf Basis der Erkenntnisse des Projekts zukünftig so gestaltet werden, dass Bahnhöfe selbst bei großen Menschenansammlungen, wie sie etwa vor und nach Fußballspielen vorkommen, noch sicherer werden.“

Für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich und ihre Partner ist es nicht der erste Großversuch. Zuletzt hatten sie im Jahr 2013 Experimente mit bis zu 1.000 Probanden durchgeführt. Ziel des mittlerweile abgeschlossenen Projekts BaSiGo war es, die Sicherheit bei Großveranstaltungen zu erhöhen. Nachdem die Versuche im März letzten Jahres aufgrund der aufkommenden Corona-Pandemie abgesagt wurden, ist die Durchführung mit einem entsprechenden Hygienekonzepten nun möglich. Als Zugangsvoraussetzung für die Experimente mussten alle Personen entweder innerhalb der letzten 48 Stunden negativ getestet, vollständig geimpft oder nachweislich genesen sein (3G-Regel). Darüber hinaus werden alle Personen vor dem Einlass mittels Schnelltest getestet. Die Abkürzung „CroMa“ steht für „Crowd-Management in Verkehrsinfrastrukturen“. Das Verbundprojekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit“ von August 2018 bis Juli 2022 mit rund 3,3 Millionen Euro gefördert. (dpa/sc)

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