Ein Jahr vor Paris: Krawalle, Kosten und die Russland-Frage

<p>in Boot und ein Lastkahn fahren auf der Seine während eines Tests für die Olympia-Eröffnungsfeier.</p>
in Boot und ein Lastkahn fahren auf der Seine während eines Tests für die Olympia-Eröffnungsfeier. | Foto: dpa

Am Montag probte Paris. Nicht den Ernstfall, der ist kaum zu simulieren, aber immerhin eine Light-Version der spektakulären Olympia-Eröffnungsfeier auf der Seine. 40 Boote tuckerten den Fluss hinauf, in einem Jahr sollen es über 100 sein. Vor der gewaltigen Kulisse von mehr als 400.000 Menschen an den Ufern, vor einem Milliardenpublikum an den Bildschirmen. Welch ein Fest – doch die Vorfreude hält sich vielerorts in Grenzen.

Krawalle, Klimakleber, Kosten und nicht zuletzt die ungelöste Russland-Frage: Die Rückkehr der Spiele nach Europa, zwölf Jahre nach dem traumhaften Sportsommer von London, begleiten mehr als nur Nebengeräusche. Es tost gewaltig um den Olymp. Doch der Herr der Ringe blickt hoffnungsvoll in die Zukunft.

„Die Erwartungen für Paris sind groß, in jeder Hinsicht“, sagte Thomas Bach bei einem Heimatbesuch in Hamburg. „Nachhaltig“ sollen sie werden, die Spiele 2024, und für „Geschlechtergerechtigkeit“ stehen. „Inklusiv und jung“ wünscht sich Bach die erste Ausgabe nach den Pandemiespielen von Tokio und Peking. Ein urbanes Festival, das „nicht wie ein Raumschiff landet und dann wieder weg ist, sondern ein Teil der gesamten Gesellschaft wird“.

Eine schöne Vorstellung, nicht mehr. Die Unruhen in Frankreich werfen ernsthafte Fragen auf. Sicherheitsbedenken für die in der Olympia-Geschichte einzigartige Eröffnungszeremonie am 26. Juli im Herzen der Stadt gibt es schon lange, mittlerweile ist die Gesellschaft tief gespalten. Die Wut nach dem tödlichen Schuss eines Polizisten auf einen Jugendlichen ebbte nur langsam ab.

Auch Bach spürt die „tieferliegenden sozialen Spannungen“, doch er glaubt fest an die „breite Zustimmung“ der Bevölkerung. Dabei sank die Unterstützung zuletzt rapide, wie eine Umfrage zeigt, in Auftrag gegeben von der Zeitung Le Figaro vor dem Tod von Nahel M. und den brennenden Autos der Tage danach. Die Euphorie ist verflogen, auch weil sich plötzlich die Staatsanwaltschaft für Olympia interessiert.

„Illegale Interessenskonflikte, Missbrauch öffentlicher Gelder und Vetternwirtschaft“ – dazu mahnte der französische Rechnungshof die Kosten an. Das Budget für das Organisationskomitee, das bei der Bewerbung 2017 bei 3,3 Milliarden Euro gelegen hatte, stieg bis Ende 2022 auf 4,4 Milliarden an. Inflation und zusätzliche Kosten für die Sicherheit könnten es weiter in die Höhe treiben.

Doch Bach glaubt trotz aller Kritik an die einende Kraft der Spiele, an Olympia als „Partner im Klimaschutz“, an Aktivisten, die einsehen, wie viel das IOC für die Rettung des Planeten leiste. Und ganz besonders glaubt Bach an die Mission des IOC, Brücken zu bauen, damit sich Athletinnen und Athleten aus der Ukraine und Russland auf der Weltbühne im friedlichen Wettstreit die Hand geben können.

Noch ist die Teilnahme der „neutralen“ Sportler aus Russland und Belarus in Paris nicht offiziell, noch wartet das Internationale Olympische Komitee ab. Doch der Weg ist bereitet, und so droht ein Boykott der Ukraine: von den Spielen ginge ein verhängnisvolles Zeichen aus. Das weiß auch Bach, der jedoch lieber betont, wie reibungslos die Ko-Existenz der Sportlerinnen und Sportler aus den verfeindeten Nationen im Weltsport funktioniere.

Auf den Ernstfall sieht er das IOC vorbereitet. „Wir werden von Russland beschimpft, bis hin zu Nazivorwürfen. Wir sehen die Unzufriedenheit der ukrainischen Führung“, sagte Bach: „Aber ich bin sehr, sehr zuversichtlich, dass wir das in Paris bewältigt und eine äußerst breite Beteiligung haben werden.“ Viel Zeit bleibt dafür nicht mehr. (sid/tf)

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