Nachtnotizen: Im Salon von Madame

Von Freddy Derwahl, freier Schriftsteller

Der Abschied von Alexander Miesen aus dem Senat wäre im Badeurlaub gar nicht aufgefallen, hätte nicht ein eifriger Journalist das Un-Ereignis aus dem Sommerloch gehoben. Die Nachricht der Woche ist ein einziges Ärgernis.

Das „Hohe Haus“ gilt als Überbleibsel der „Belgique à papa“. Schon das Plenum hat Antiquitätswert. Historienmalerei, Großporträts in Goldrahmen. Es herrscht Salondemokratie auf samtbezogenen Sesseln: Im Halbrund der Präsidentin, Madame Christine Defraigne, sitzt man gerne weich. Nicht minder anspruchsvoll die „Aufwandsentschädigungen“ und „Abfindungen“. Bestbezüge für nur zehn Sitzungen jährlich, die kürzeste ganze 15 Minuten, ein Totengedenken inklusive.

Dass sich ein kluger Jungpolitiker wie Alexander Miesen von dieser Überflüssigkeit verführen ließ, ist ein Warnsignal für die Jugend. Alle Phrasen von Innovation, Transparenz und Nachhaltigkeit brechen wie ein Kartenhaus zusammen. Es wuchert das Unseriöse von Unterbringungs-Mentalität. Man nennt sich „Denkfabrik“ und lässt sich das Nachdenken über die Pöstchen der nächsten Staatsreform veredeln.

Wenn Miesen sich in der Sommerfrische anschickt, nach seinen kräftezehrenden Brüssel-Fahrten, in die Gemächer des Parlamentspräsidenten der DG zurückzukehren, ist das ein frivoler Tausch. Die Fäulnis der Institutionen könnte ansteckend wirken. Dieser Amtswechsel riecht nach Wechselspiel und Wechselgeld. Der Rochade-Schachzug geschah in Volksferne nach Pflichtwahlen. Man darf es auch kaum kaschierter Betrug nennen.

Zu den Drahtziehern des Posten-Geschiebes zählt kurioserweise Karl-Heinz Lambertz. Seit seiner Jugend hat er sich zäh und streitbar bis in die Spitzenämter hoch gekämpft. Was sagt er seinen Jungsozis oder den für Sozialschwache engagierten Genossen, wenn er sich im musealen Plüsch-Senat niederlässt? Schreibt er dort den Krimi seiner Memoiren?

Nein, er wird angestrengt denken, vernetzen und schwitzen, er tat es schon immer. Manchmal wird er seine Zuhörer nerven, lange Vorträge halten und unaufhaltsam die Redezeit überschreiten. KHL wird ein einsam schuftender Arbeiter bleiben. „Herr Senator“ passt nicht in seine Biografie. Es klingt wie eine Beleidigung.