Quintana: Zum Tour-Auftakt folgte Unglück auf Unglück

Nairo QuintanaFoto:belga | 4

In den Tagen vor dem Start der Tour de France wiederholten die Movistar-Profis Alejandro Valverde, Mikel Landa und Nairo Quintana einen Satz fast gebetsmühlenartig. „Die Straße wird entscheiden“, hieß es stets auf Nachfrage, wer aus dem illustren Trio denn die Kapitänsrolle übernehmen werde. Als Scharfrichter waren Abschnitte wie die hügelige fünfte Etappe nach Quimper, das Pavé-Teilstück nach Roubaix (9. Etappe) oder letztendlich die Bergetappen ausgemacht worden – nicht aber der Auftakt nach Fontenay-le-Comte. Doch bewies die Tour einmal mehr, dass sie ihren eigenen Regeln folgt. Während Valverde und Landa am Samstag ohne Zeiteinbußen mit der ersten Gruppe ins Ziel rollten, fuhr Quintana nach chaotischen Finale erst 1:15-Minuten später über den Zielstrich. Für den Kolumbianer war der Rückstand „eine Katastrophe“, wie Teamkollege Landa später sagte.

Ein doppelter Reifenschaden zur Unzeit warf Quintana zurück. 3,5 Kilometer vor dem Ziel fingen die TV-Kameras den 28-Jährigen ein, wie er am Straßenrand anhalten musste, ein Betreuer vom neutralen Begleitmotorrad zu ihm eilte und doch sich alles unglaublich in die Länge zog. Bittere Ironie: Quintana musste hilflos mit ansehen, wie die bereits abgehängte Gruppe um Chris Froome (Sky), kurz zuvor gestürzt war, wieder an ihm vorbeirauschte. Ebenfalls unglücklich: Der zweimalige Tour-Zweite erlitt seinen Schaden weniger Hundert Meter vor der Drei-Kilometer-Zone, innerhalb der Zeitrückstände aufgrund von Defekten oder Stürzen nicht mehr angerechnet werden.

„Ich traf einen Bordstein. Beide Räder waren kaputt, ich konnte nicht mehr weitermachen“, beschrieb Quintana die Szene. Joaquin Rojas, der Quintana für genau solch einen Fall zugeteilt war, war bereits durch einen früheren Sturz zurückgefallen. Auch das Teamfahrzeug war nicht sofort zu Stelle, wie Manager Eusebio Unzue berichtete: „Wir im Mannschaftswagen waren sehr weit zurück, weil das Feld nach den früheren Stürzen geteilt war. Nairo versuchte, sein Rad mit dem neutralen Service zu reparieren und sie wechselten beide Räder. Aber es lief nicht gut, also wechselten wir sein Rad, als wir ihn im Auto erreichten.“ Quintana muss es wie eine Farce vorgekommen sein.

Daniele Bennati und Andrey Amador ließen sich schließlich aus der ersten Gruppe zurückfallen, um den Schaden für den 28-Jährigen zu begrenzen. Die 1:15-Minuten an Rückstand bedeuteten dennoch einen erheblichen Rückschlag – und das gleich zum Auftakt.

„So läuft Radsport. Man kann jetzt nur weitermachen. Ich kann mich etwas mit der Tatsache trösten, dass Froome ebenfalls Zeit auf die Konkurrenz verlor und mir gegenüber nur ein paar Sekunden herausholte“, meinte Quintana im Ziel.

Schwer wiegt möglicherweise der Rückstand gegenüber Valverde und Landa. Sollte bei Movistar tatsächlich das Rennen um die Kapitänsrolle völlig offen sein, ist Quintana im teaminternen Klassement nach einer Etappe bereits deutlich hinten dran. Hat die Straße schon (vor)entschieden? (rsn)