Nie mehr „Trauzeugin“: Ricciardos Aufstieg in der Formel 1

Daniel Ricciardo ist momentan der Dreh- und Angelpunkt des Transferkarussells für die Formel-1-Saison 2019. Der Red-Bull-Fahrer steht nach seinem Sieg beim Grand Prix von China hoch im Kurs und hat bei allen drei Topteams Möglichkeiten unterzukommen. | Photo News



Sebastian Vettels Alltag in der Formel 1 könnte schon im kommenden Jahr sehr viel komplizierter werden. Denn ein alter Weggefährte gilt als heißer Kandidat auf das zweite Cockpit bei Ferrari, die Scuderia interessiert sich für Daniel Ricciardo – und der hat eines längst klargestellt. „Ich spiele nicht mehr die zweite Geige“, sagte der Australier zuletzt. Er werde nicht „die Trauzeugin“ seines Teamrivalen sein: „Ich will selbst Weltmeister werden, das ist mein Traum, mein Ziel, und dazu bin ich fähig.“

Vor dem Großen Preis von Aserbaidschan am Sonntag (14.10 Uhr MESZ/RTL) ist Ricciardos Zukunft eines der heißesten Themen im Fahrerlager. Der Vertrag des 28-Jährigen bei Red Bull Racing endet nach dieser Saison, und der Sieger des vergangenen Rennens in China ist gerade in einer ziemlich starken Verhandlungsposition.

Sowohl Ferrari als auch Mercedes könnten theoretisch zugreifen. Vettels Teamkollege Kimi Räikkönen, die klare Nummer zwei bei den Italienern, hat seinen Sitz nur noch für dieses Jahr sicher. Das Gleiche gilt bei den Silberpfeilen für Valtteri Bottas, die Vertragsverlängerung von Weltmeister Lewis Hamilton wird dagegen erwartet.

Im Rennen um Ricciardo soll Ferrari angeblich die Pole Position inne haben. So berichten Medien von einem exklusiven Verhandlungsrecht, das sich die Scuderia gesichert haben soll. Der Australier widersprach allerdings am Donnerstag. „Das ist nicht wahr“, sagte er, „noch habe ich auch mit niemandem außer Red Bull gesprochen.“

Ein Wiedersehen Vettels mit Ricciardo ist dennoch nicht mehr unwahrscheinlich. Die besten Erinnerungen hat der Deutsche nicht: 2014, in seinem enttäuschenden letzten Jahr bei Red Bull, wurde er von seinem damals noch recht „grünen“ Stallrivalen klar geschlagen. Und ein neues Teamduell fände nun unter völlig anderen Vorzeichen statt. Ferrari müsste sich dabei auch entscheiden, wie viel die Harmonie wert ist, die aktuell mit Vettel und dem treuen Helfer Räikkönen herrscht. Ob man sich ein echtes internes Duell leisten kann. „Momentan ist Seb auf jeden Fall glücklich mit seinem Teamkollegen“, sagt Ricciardo grinsend, „das kann jeder sehen.“

Bei Red Bull sind angesichts des möglichen Wechsels zumindest leichte Zeichen von Nervosität zu erkennen. „Spätestens in der Sommerpause“, sagte Teamchef Christian Horner bei „Auto, Motor und Sport“, soll Ricciardo sich entscheiden: „Wir wollen nicht ewig warten, wir haben andere gute Optionen.“

Den Status als wichtigste Figur auf dem Transfermarkt hat sich Ricciardo erarbeiten müssen. Trotz starker Leistungen stand er in der Wahrnehmung meist irgendwie im Schatten der Teamkollegen: Erst fuhr der viermalige Weltmeister Vettel neben ihm, nun ist es das „Jahrhundert-Talent“ Max Verstappen. Ricciardo, der stets gut gelaunte Australier, lief da ein wenig unter dem Radar.

Dabei hat er nun auch Verstappen klar im Griff, holte in der gemeinsamen Red-Bull-Zeit deutlich mehr WM-Punkte als der Niederländer. Ricciardo ist ein starker Racer, holte alle seine sechs Karriere-Siege von einem Startplatz außerhalb der Top Drei, bringt aber anders als Verstappen auch den kühlen Kopf mit, den ein künftiger Weltmeister braucht. Zudem ist der smarte Australier für seinen Arbeitgeber ein hervorragender Werbeträger, dieser Faktor ist in der Formel 1 nicht zu unterschätzen.

Er wird sich nun entscheiden müssen, bis August hat er Zeit. Und vielleicht wird es für Sebastian Vettel dann deutlich ungemütlicher. (sid)