Brasiliens Handball-Missionare: „Spielen für die Kinder“

Einige Spieler sackten fassungslos zu Boden, andere weinten hemmungslos, und Trainer Washington Nunes war so glücklich, dass er seinem besten Torschützen Haniel Langaro einen Kuss auf die Stirn drückte. „Das ist ein historischer Sieg für den brasilianischen Handball“, sagte Nunes ergriffen. Handball-Zwerg Brasilien sorgte mit seinem Überraschungs-Coup gegen Kroatien für DEN WM-Moment im bisherigen Turnierverlauf.

Die Kölnarena bebte nach dem völlig unerwarteten 29:26-Erfolg der Südamerikaner gegen den EM-Fünften. Matchwinner Langaro (neun Tore) und seine Teamkollegen wurden von den über 15.000 Fans minutenlang gefeiert, rannten für La Ola von links nach rechts und von vorne nach hinten. „Amazing, amazing, amazing“, riefen Langaro und Co. danach in die vielen Mikrofone und schüttelten immer wieder ungläubig ihre Köpfe. So etwas hatten die Brasilianer noch nicht erlebt.

Unabhängig vom Ausgang der Hauptrunde ist es schon jetzt ein kleines Handballmärchen, das die Männer vom Zuckerhut bei dieser WM schreiben. Nie zuvor hatten sie es unter die ersten zwölf Teams bei einer Weltmeisterschaft geschafft, nun mischen sie sogar die Elite auf. Bereits in der Vorrunde hatte Brasilien mit Siegen gegen Serbien und Russland aufhorchen lassen.

Neben König Fußball ist wenig Platz für andere Sportarten, schon gar nicht für Handball.

In der Heimat fristet der Sport allerdings ein Nischendasein. Neben König Fußball mit Superstar Neymar ist wenig Platz für andere Sportarten, schon gar nicht für den kleinen Handball. Die brasilianischen Medien ignorieren ihre Ballwerfer nahezu komplett, zu Ligaspielen verirrt sich oft nur eine Handvoll Zuschauer in die Hallen.

Selbst der Viertelfinaleinzug bei den Olympischen Spielen in Rio, als in der Vorrunde sogar der damalige Europameister Deutschland besiegt wurde (33:30), konnte keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Dennoch bedeuten Erfolge wie der gegen Kroatien den brasilianischen Handballern eine Menge. „Mit unseren Ergebnissen können wir den Handball in Brasilien bekannter machen und mehr Leute von unserem Sport überzeugen“, sagte Thiagus Petrus Santos, der wie die meisten im Team sein Geld als Profi in Europa verdient.

Er und seine Mitspieler hoffen auf ein wenig Nachhaltigkeit der WM-Erfolge. „Wir spielen auch für die Kinder in Brasilien. Sie hören sonst nur von Basketball und Volleyball“, sagte Torjäger Jose Toledo. Und Santos meinte: „Die Medien werden uns nach diesem Sieg ein bisschen mehr Aufmerksamkeit schenken. Und das ist genau das, was der Handball in Brasilien braucht.“ (sid)