„Sticheln immer, aber nie böse“



Ja, sie sticheln ganz gerne, die Bürger in der Altgemeinde Elsenborn. „Aber immer freundlich gemeint“, das stellte Gerhard Reuter, einer der vier Gesprächspartner der GrenzEcho-Redakteure Jürgen Heck und Allan Bastin an diesem Sonntagmorgen gleich eingangs der Debatte klar. Entsprechend freundlich-direkt, vor allem aber auch unterhaltsam war der Ton der gut einstündigen Diskussionsrunde, die die GrenzEcho-Redaktion derzeit „durch die Dörfer“ führt. „Wir sind hier, um zu erfahren, wo der Schuh drückt, welche Themen Sie bewegen und auch, was Sie von Ihrer Zeitung halten“, erklärte Jürgen Heck den Sinn und Zweck der Aktion.

Der Zuspruch war sehr gut für die LokalRunde in der Altgemeinde Elsenborn, darüber freuten sich die Initiatoren des Verlags, aber auch die Gesprächsteilnehmer auf dem Podium, das in diesem Fall keines war, sondern aus Stehtischen bestand.

„Kein Wunder, in den letzten Wochen konnten wir ja auch endlich mal was über Elsenborn und Nidrum in der Zeitung lesen“, unkte Raymond Dahmen aus Elsenborn gleich zu Beginn und forderte die Diskussionsleiter heraus. Ja, sie fühlen sich ein wenig benachteiligt in der Großgemeinde, die Einwohner der beiden Orte, das wurde deutlich. „Wir haben bei der Gemeinde mal einen Kubikmeter Sand angefragt, um ein paar historische Informationstafeln aufzustellen. Bis wir den hatten, das war eine ganze Prozedur. In Bütgenbach wäre in der gleichen Zeit ein ganzer Platz renoviert worden“, hatte Gerhard Reuter die Lacher auf seiner Seite – Szenenapplaus würde man im Theater sagen. Aber auch Beispiele aus der jüngeren Geschichte der Kommunalpolitik kamen zur Sprache: Die 1,8 Millionen Euro, die in die Neugestaltung des Dorfplatzes Weywertz investiert werden, hätten auch an anderer Stelle gut gebraucht werden können, meinte der dritte Mann auf dem Podium, Mario Noel aus Elsenborn.

Beispielsweise in neue Wasserleitungen für die Ortschaft Elsenborn. Für diese hatte er sich zuletzt zusammen mit Mitstreitern engagiert, in Sorge, dass das neue Trinkwasserkonzept nicht zu viel Nutze ist, wenn das Wasser doch durch die alten, verrosteten Leitungen fließt.

Doch das Gemeindekollegium war der Einladung zu einer öffentlichen Informationsversammlung zu diesem Thema nicht gefolgt – ein Umstand, an den Noël die anwesenden Vertreter des Kollegiums (Charles Servaty, Gaby Goffart-Küches und später auch Daniel Franzen) gleich mehrfach erinnerte.

Die – aus ihrer Sicht – mangelnde Gesprächsbereitschaft der politischen Vertreter war den Bürgern bitter aufgestoßen, mal ganz abgesehen davon, was man von der Sache an sich hält. Gerhard Reuter als Fachmann bescheinigte der Gemeinde, dass das Trinkwasserkonzept ganz gut überlegt sei und konsequent Schritt für Schritt umgesetzt werde. „Es ist ein bisschen Geduld erforderlich, bis man alle Kinderkrankheiten im Griff hat“, so Reuter. Das Wasser, das zentral in die Ortschaften verteilt werde, sei von guter Qualität.

Dafür verbürgte sich auch Bauschöffe Charles Servaty, der von seinem Platz im Publikum aus mehrfach um Stellungnahmen bzw. Repliken gebeten wurde.

Aber auch Reuter appellierte an das Kollegium, mit offenen Karten zu spielen und transparent zu kommunizieren: „Das Wasser ist ein wertvolles, lebenswichtiges Gut. Es ist normal, dass die Bürger darüber informiert sein möchten.“

Das Wasser, die Straßen und der Mittelstand: Das sind wohl die größten Reizthemen in der Altgemeinde, wobei sich die Situation in den beiden größeren Dörfern ganz unterschiedlich darstellt. Während in Nidrum eine ganz gute Nahversorgung, ein Angebot mit Geschäft, Kneipe inkl. Saal und Bäckerei besteht, müssen die Elsenborner fast für jede Besorgung fahren. Kaufen die Leute nicht mehr im Ort ein oder warum hat sich das letzte Geschäft beispielsweise nicht halten können?

„Junge Menschen sind sicher mobiler und nutzen die Möglichkeit, ihre Einkäufe woanders zu erledigen“, erklärte die einzige Dame in der Gesprächsrunde, die 24-jährige Nicole Herbrand. „Aber es ist natürlich ein großer Vorteil, wenn man im Dorf einkaufen kann.“ Raymond Dahmen hatte eine lange Liste der Betriebe mitgebracht, die es in seiner Jugendzeit noch in seinem Heimatort gab: „Zwei Banken, Gendarmerie, Taxi-Unternehmen, Post, vier bis fünf Kneipen, zwei Geschäfte für Geschenkartikel…“, zählte er auf – „davon ist nicht mehr viel übrig“.

Mario Noel warf die Frage auf, ob es nicht auch eine Aufgabe der Gemeinde sei, potenziellen Investoren unter die Arme zu greifen – dies vor dem Hintergrund, dass der letzte Betreiber eines Lebensmittelladens in Elsenborn wohl aufgrund einer Mieterhöhung das Handtuch geschmissen hat. Dafür hat Elsenborn allerdings ein sehr aktives Vereinsleben: „Ich glaube nicht, dass man das in Dörfern dieser Größe noch einmal findet“, wies Raymond Dahmen auf die insgesamt fast 20 funktionierenden Vereine der Ortschaft hin. Er selbst ist im Chor und im Theaterverein aktiv, wo er nach eigenen Aussagen „den Präsidenten spielt“. „Mit Ihren Fähigkeiten könnten Sie auch der Hauptdarsteller sein“, bewies Jürgen Heck, dass auch in Eupen Sticheln kein Fremdwort ist.

In Nidrum kennt man da schon ein bisschen mehr Nachwuchssorgen in der Vereinswelt, weshalb Gerhard Reuter in den Raum stellte, ob es sich nicht lohne, eine Jugendorganisation wie KLJ oder Chiro aufzubauen, die oft ein Sprungbrett für ein späteres Engagement seien. Daran fehle es im Ort. Was fehlt den Nidrumern noch? „Ein Spielplatz und eine modernere Turnhalle“, gab Nicole Herbrand einen deutlichen Wink in Richtung Gemeindeväter, dass hier schon sehr lange trainiert werde, während es durch das Dach tropft.

Und bevor es dann die versprochen Lokalrunde gab, die das GrenzEcho spendierte, musste natürlich noch das Lager Elsenborn zur Sprache kommen, aus dem nun die Flüchtlinge wieder ausgezogen sind , die übrigens – so wurde allerorts bescheinigt – viel weniger Konflikte mit in die Region gebracht hätten als befürchtet. Ängste gibt es nun allerdings, dass „unser Platz“, wie das Lager in der Altgemeinde genannt wird, in eine neue Zukunft steuert. In letzter Zeit machen Gerüchte die Runde, dass die Anlage in private Hände übergehen soll. Von offizieller Seite hat dazu allerdings noch niemand etwas gehört.

grenzecho.net/fotos