Immer mehr Arbeitsunfälle - Versicherungen kommen seltener dafür auf

Immer häufiger weigern sich Versicherungen, für Arbeitsunfälle aufzukommen. | dpa



Waren Ende der 80er Jahre noch rund 280.000 Arbeitsunfälle zu beklagen, so hat sich diese Zahl im Jahr 2016 mit 120.000 Fällen mehr als halbiert (jüngste Statistik). „Gute Nachrichten“, sagt Herman Fonck. „Unternehmen konzentrieren sich mehr auf die Prävention, und die starke Verlagerung von industriellen Aufgaben zu Verwaltung und Dienstleistungen führt allmählich zum Verschwinden der gefährlichsten Arbeitsplätze.“

Aber diese positive Entwicklung erzählt nur einen Teil der Geschichte. „Der Rückgang ist ausschließlich auf die leichten Arbeitsunfälle zurückzuführen: diejenigen mit vorübergehender oder gar keiner Arbeitsunfähigkeit. Betrachtet man die schweren Arbeitsunfälle mit dauerhafter Arbeitsunfähigkeit, so waren es 2016 genau 11.928 – fast tausend mehr als 1980. Damit ist die Zahl der schweren Arbeitsunfälle pro 1.000 Mitarbeiter heute noch höher als damals.“

Die Gründe dafür lassen sich nur vermuten: „Es gibt Erklärungsansätze“, sagt Fonck. „In Zeiten des Wirtschaftswachstums wird mehr mit Subunternehmern und Zeitarbeitsfirmen gearbeitet. Die Wahrscheinlichkeit eines Arbeitsunfalls ist dabei doppelt so hoch: Sie haben oft weniger Erfahrung oder sind mit dem Arbeitsgebiet weniger vertraut.“

In Belgien ist die Arbeitsunfallversicherung für jedes private Unternehmen verpflichtend. Nicht der Arbeitgeber sondern der Versicherer entscheidet, ob ein Arbeitsunfall als solcher anerkannt und damit entschädigt wird. „In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Ablehnungen verdoppelt und im Vergleich zu 1985 sogar mehr als verfünffacht“, sagt Fonck. „Im Jahr 2016 weigerten sich die Versicherer, 18.488 Arbeitsunfälle anzuerkennen. Das ist mehr als jedes zehnte Dossier. Und keineswegs immer gerechtfertigt. Wir vermuten, dass jährlich mindestens 2.335 Opfern ungerechtfertigterweise eine Entschädigung verweigert wird.“

Je nach Versicherungsgesellschaft fallen die Statistiken sehr unterschiedlich aus: „Entweder betrügen Kunden von Axa und Fédérale vier- bis fünfmal mehr als Arbeitgeber, die bei Fidea oder P&V versichert sind, oder es ist eine Strategie der betreffenden Versicherer, bewusst besonders streng zu sein.“

In einer Reaktion weist AXA darauf hin, dass die Anzahl der Ablehnungen nicht die Qualität des Schadenmanagements widerspiegelt. „Im Gegensatz zu einigen Kollegen akzeptieren wir keine unvollständigen Unterlagen und ermutigen unsere Kunden, jeden noch so kleinen Arbeitsunfall zu melden. Dieser Ansatz führt zu einer höheren Ablehnungsrate, obwohl diese Zahl in den letzten Jahren zurückgegangen ist“, sagt Sprecher Gianni De Muynck. Er fügt hinzu, dass sich die Opfer immer an die Föderalagentur für Berufsrisiken (Fedris) und an das Arbeitsgericht wenden können, wenn sie die Ablehnung für ungerechtfertigt halten.