Eupener Primarschüler machen gemeinsame Sache mit Brüsseler Philharmonie

Während Darinka Theissen vorsingt, hören die Schüler aufmerksam zu. | Annick Meys



Seit Monaten bereiten sich die Schüler des KAE auf ihren großen Auftritt vor. Mit stolz geschwellter Brust und durchgedrücktem Rücken setzen Anaïs Kaldenbach und ihre Mitschüler zum Singen an. Die Neunjährige gibt sich große Mühe, deutlich zu artikulieren. Den Text hat Musiklehrerin Darinka Theissen an die Tafel geschrieben. Die Kinder sehen ihn heute zum ersten Mal. Angestrengt formen sie die Lippen zu einem lang gezogenen O.

„Ich finde es bemerkenswert, wie schnell die Schüler die Texte beherrschen. Und das alleine durch ständiges Wiederholen“, flüstert Klassenlehrerin Astrid Sandmeier, um ihre Schützlinge nicht aus dem Konzept zu bringen. Die 47-Jährige ist ganz entzückt, wie konzentriert die Kinder bei der Sache sind. Die Jungs ebenso wie die Mädchen. „Sie nehmen das Ganze sehr ernst.“

Mit einem Mal verstummt der Gesang, aber aus der Musikanlage dudelt weiter Instrumentales. Das Stück, das gerade geübt wird, zeichnet einen Dialog zwischen zwei rivalisierenden Gangs, um die sich die Geschichte, in Anlehnung an das weltbekannte Musical „West Side Story“, dreht: den „Comme ci“ und den „Comme ça“, zwischen denen Hass und Feindseligkeit herrschen, bis sie erkennen, dass sie so verschieden gar nicht sind.

Anaïs und ihre Mitschüler verleihen den „Comme ça“ ihre Stimme. Sie singen auf Deutsch. Gerade im Moment hätten eigentlich die „Comme ci“ ihren Einsatz. Die Französischklassen des KAE und andere französischsprachige Schüler aus der Brüsseler Region übernehmen diesen Part. Die Proben finden jedoch meist getrennt voneinander statt. Nur gelegentlich wird zusammen geübt. Dann schauen auch ein paar Philharmoniker vorbei, um gemeinsam mit den Kindern zu proben.

Das Musical findet im Rahmen des Musikprojektes „El Sistema Belgium“ statt. Initiiert wird es von dem Verein ReMuA Brüssel, der sich für mehr Musik in Schulen einsetzt. Darinka Theissen, die in Namur Musik studiert, bringt den Kindern im Auftrag des Vereins das Singen bei. Flüsternd zählt sie den Takt bis zum nächsten Einsatz: „Eins, zwei, drei, vier.“ Die 21-jährige Schönbergerin gibt den Kindern ein Zeichen. Rechtzeitig setzten alle wieder ein – ohne einen einzigen schiefen Ton oder gar einen Textpatzer, bis zum Schlussakkord. Das letzte von insgesamt acht Liedern sitzt. Die Kinder grinsen über beide Ohren. Auf der großen Bühne würde ihnen nun begeisterter Applaus entgegenschlagen. Stattdessen gibt es Lob von der Musiklehrerin: „Das war sehr gut.“ Seit Anfang des Jahres übt Darinka Theissen jeden Freitagmorgen eine Stunde mit den Schülern. Am Anfang waren es lediglich Rhythmus- und Atemübungen, damit „die Kinder ein Gefühl fürs Singen bekommen“. Auch sie ist erstaunt, wie schnell die Schüler lernen: „Ich gehe Satz für Satz mit ihnen durch. Wir wiederholen ständig. Wichtig ist, dass die Kinder verstehen, was sie da singen, dann bleibt es auch besser hängen“, erklärt sie, nickt und lächelt: „Ich bin sehr zufrieden.“ Auch ihr mache die Arbeit mit den Kindern großen Spaß.

Anaïs Kaldenbach, das Mädchen, das zuvor noch voller Inbrunst gesungen hat, ist plötzlich ganz schüchtern. Verlegen zupft die Schülerin ihr T-Shirt zurecht. Ob ihr das Singen Spaß mache? „Ja, sehr“, platzt es aus der Neunjährigen heraus. Manchmal singe sie ihren Geschwistern vor. „Meine kleine Schwester klatscht dann immer, weil es ihr so gut gefällt.“ Sie freue sich auf den Auftritt, sei aber auch ganz schön aufgeregt, gesteht sie.

Ganz unerfahren sind die Schüler allerdings nicht. Ende April haben sie bereits eine Kostprobe im Alten Schlachthof in Eupen gegeben. „So konnten die Schüler schon mal etwas Bühnenluft schnuppern, damit sie am großen Tag nicht von den vielen Eindrücken erschlagen werden“, meint die Klassenlehrerin. Am 10. Juni werden die Schüler allerdings vor weitaus größerem Publikum performen. Der Konzertraum fasst 800 Zuschauer.

Karten für die Aufführung gibt es zum Preis von einem Euro pro Stück unter www.flagey.be