SPD schlingert Richtung GroKo

Die SPD wird mit CDU und CSU Sondierungsgespräche zur Bildung einer Bundesregierung aufnehmen. Das habe der Vorstand einstimmig beschlossen, sagte der Parteivorsitzende Martin Schulz am Freitag in Berlin. | afp

Wie wahrscheinlich ist nun eine große Koalition?

Das hängt vor allem davon ab, ob Schulz genug herausholen kann in den Sondierungen in den ersten beiden Januarwochen, sodass er beim Sonderparteitag – wahrscheinlich am 14. Januar – das Ok der Basis für konkrete Koalitionsverhandlungen bekommt. Bisher sind nach Schätzungen in einzelnen SPD-Landesverbänden bis zu zwei Drittel der Delegierten gegen eine neue GroKo. Schulz will bei den Sondierungen mit der Union für einen „anderen Stil“ sorgen als bei den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen von Union, FDP und Grünen. „Bei uns wird es keine Balkonbilder geben, auch kein Winken.“ Intensives Twittern von Zwischenständen will er auch unterbinden.

Wie lautet die Taktik beider Seiten?

Merkel weiß, dass Schulz ein paar „Leuchtturmprojekte“ braucht, um den Parteitag zu überstehen. Und wenn es zum Koalitionsvertrag kommt, auch noch das abschließende Votum der rund 440.000 Mitglieder. Doch CDU und CSU wollen nur über eine große Koalition reden. Schulz dagegen will auch andere Modelle „ergebnisoffen“ verhandeln – wie eine von der SPD tolerierte Minderheitsregierung oder eine „Kooperationskoalition“, bei der die SPD zwar Minister in die Regierung schickt, aber nur bei Kernprojekten wie dem Haushalt und Auslandseinsätzen mit der Union kooperiert. Bei anderen Themen könnten sich beide Seiten hier auch mit anderen Parteien verbünden.

Warum liegt hier eine große Gefahr für Schulz?

Gerade die Jusos sammeln Verbündete für ihre Kampagne #NoGroKo. Sie argwöhnen, die Parteispitze habe sich längst auf GroKo-Verhandlungen eingestellt und nähre nur noch die Illusion von anderen Optionen, um sie ruhigzustellen. Schulz hat in sein zwölfköpfiges Sondierungsteam auch den Landeschef der SPD in Nordrhein-Westfalen, Michael Groscheck, geholt. Im größten Landesverband, der fast ein Viertel der Delegierten bei dem Sonderparteitag stellt, gibt es große Ablehnung; hier wird eine Minderheitsregierung favorisiert. Hat Schulz zu wenig zu bieten, droht eine Ablehnung, dann wäre auch er als Parteichef kaum zu halten. Er argumentiert, dass die SPD auch dringend gebraucht wird, um Reformideen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron für „mehr Europa“ zügig umzusetzen.

Wo deuten sich erste inhaltliche Kompromisse an?

Zum Beispiel bei einem SPD-Herzensthema, dem Rückkehrrecht von Teilzeitbeschäftigten auf Vollzeitstellen. Ziel der Partei ist es, das Leben der Menschen zu verbessern, wieder Kümmerer-Partei zu werden. „Bei gutem Willen auf beiden Seiten halte ich das für lösbar“, sagte Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) dem „Spiegel“. Schon in der letzten Koalition sei das nur an der Frage gescheitert, ab welcher Betriebsgröße das Rückkehrrecht gelten soll. Interessant: Schulz redet auch nicht mehr über eine einheitliche Krankenkasse; viele in der SPD wollen die Flucht von Beamten und Besserverdienern in die private Versicherung stoppen. (dpa)