Prozess um Einsturz des Kölner Stadtarchivs startet

Trümmer liegen am 4. März 2009 in Köln an der Stelle, an der sich das eingestürzte historische Stadtarchiv befand. | Oliver Berg/dpa

Zwei Tote, unzählige zerstörte Dokumente, ein Milliardenschaden: Vor neun Jahren stürzte das Historische Stadtarchiv in Köln plötzlich wie ein Kartenhaus zusammen. Nun beginnt der Strafprozess gegen fünf Angeklagte, die am Ausbau der U-Bahn beteiligt waren. Die Staatsanwaltschaft wirft den Mitarbeitern von Baufirmen und der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) fahrlässige Tötung und Baugefährdung vor. Von Mittwoch (17.) an versucht das Kölner Landgericht zu klären, wie es zu dem verhängnisvollen Unglück am 3. März 2009 kommen konnte.

Urteil muss bis zum2. März 2019 gesprochen sein – ansonsten verjährt das Ganze und die Schuldfrage bleibt ungeklärt.

Das Gericht hat für den Prozess 126 Verhandlungstage bis ins nächste Jahr hinein angesetzt, voraussichtlich werden Dutzende Zeugen und Sachverständige geladen. Allein die Anklageschrift umfasst 196 Seiten. Die 10. große Strafkammer steht bei dem komplexen Verfahren unter großem Zeitdruck: Das Urteil muss bis zum 2. März 2019 gesprochen sein – ansonsten verjährt das Ganze und die Schuldfrage bleibt ungeklärt.

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft haben Fehler beim Bau der neuen Nord-Süd-U-Bahn zum Einsturz des Archivgebäudes in der Kölner Südstadt geführt. Demnach sollen zwei Bauarbeiter beim Ausschachten des Tunnels auf ein Hindernis gestoßen sein, das sie nicht beseitigen konnten. Anstatt dies der Bauleitung zu melden, hätten sie den Aushub einfach fortgesetzt. Im Schatten des Hindernisses sei eine „Erdplombe“ entstanden, ein Loch in der unterirdischen Wand. Am Unglückstag gab diese Plombe laut Anklage dann schlagartig nach, woraufhin große Mengen Sand, Kies und Wasser in die Baugrube eindrangen. Dem Archiv wurde buchstäblich der Boden entzogen, sodass es mitsamt der Nachbargebäude zusammenbrach.

Ursprünglich zählten beide Bauarbeiter zum Kreis der Angeklagten, doch nur einem von ihnen wird jetzt der Prozess gemacht. Das Verfahren gegen den anderen hat das Landgericht in der vergangenen Woche vorläufig eingestellt, da er lebensbedrohlich erkrankt sei. Ein weiterer Angeklagter war im vergangenen Jahr gestorben.

Die übrigen vier Angeklagten – drei Männer und eine Frau – waren laut Staatsanwaltschaft für die Prüfung und Überwachung der Bauarbeiten zuständig. Sie sollen die Herstellung der unterirdischen Wände nicht mit der gebotenen Sorgfalt kontrolliert und den Verstoß beim Ausbaggern deshalb nicht bemerkt haben.

Die beteiligten Baufirmen, die in der Arbeitsgemeinschaft ARGE organisiert sind, weisen die Vorwürfe zurück. „Die komplexe Frage, auf welchem Wege innerhalb weniger Minuten über 5.000 Kubikmeter Erde in die Baugrube fließen konnten, ist bislang nicht geklärt worden“, betont ein ARGE-Sprecher. „Bis zur endgültigen Klärung der Ursache und einem zweifelsfreien Beweis sowie einem entsprechenden Urteil gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung.“ Zwei Anwohner kamen bei dem Einsturz ums Leben. Unmengen wertvoller Archivgüter wurden zerstört. In mühevoller Kleinarbeit gelang es Experten am Ende, gut 95 Prozent der Archivalien zu bergen – ihre Restaurierung wird voraussichtlich mehr als 30 Jahre dauern. Inzwischen läuft an anderer Stelle der Bau eines neuen Stadtarchivs.

Die Stadt Köln beziffert den Schaden, der durch den Einsturz entstanden ist, auf 1,2 Milliarden Euro. Wer dafür haften muss, wird irgendwann möglicherweise Thema eines Zivilprozesses werden. Erst kürzlich war bekanntgeworden, dass sich eines der zentralen Gutachten erheblich verzögern und voraussichtlich erst 2020 vorliegen wird. Hier drängt die Zeit nicht so sehr: Ein möglicher Schadenersatz-Anspruch verjährt erst nach 30 Jahren. (dpa)