Proteste gegen AfD mit Transparenten, Sprechchören und Blockaden

Demonstranten protestieren in Köln (gegen den AfD-Bundesparteitag und halten ein Plakat mit der Aufschrift „Und mein Opa so: ‚Nee, nicht schon wieder Nazis!“. | Marius Becker/dpa

Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft weiß genau, wie man auf diesem Platz sprechen muss. Sie zieht am Samstag in ihrer Rede bei der zentralen Kundgebung gegen den AfD-Parteitag sogleich die Lukas-Podolski-Karte. Viele der Rechtspopulisten, die dort drüben im Hotel Maritim zusammengekommen seien, träten die Menschenwürde mit Füßen, sagt sie. Die Würde des Fußballspielers Jérôme Boateng zähle für sie ebenso wenig wie die der Fernsehmoderatorin Dunja Hayali. „Wahrscheinlich zählt für sie nicht mal die Würde von Lukas Podolski, weil dieser Ur-Kölner in Polen geboren ist. Das ist es, wogegen wir aufstehen!“

Tosender Beifall ist der SPD-Politikerin – derzeit im Wahlkampf – gewiss. Wenn Köln demonstriert, dann ist das immer auch ein bisschen wie Karneval. Und wie Christopher Street Day. Und wie FC-Meisterschaftsfeier. Die Hauptkundgebung gegen die AfD bildet da keine Ausnahme. Karnevalslieder wechseln sich mit der FC-Hymne ab, es wird gesungen, getanzt und geschunkelt, es werden Luftballons geschwenkt. „Hätz statt Hetze“ steht auf einem der Plakate. „Hätz“ heißt „Herz“ und ist den Kölnern sehr wichtig.

Die parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker ist rhetorisch deutlich weniger versiert als die Vollblutpolitikerin Kraft. Doch wenn sie sagt, dass Gewalt mit Worten beginne, „mit Reden und Propaganda in Sälen, auf Flugblättern und auf öffentlichen Plätzen“, dann kommt dem gleichwohl besonderes Gewicht zu. Denn Henriette Reker wurde 2015 am Tag vor der Oberbürgermeister-Wahl von einem rechtsradikalen Attentäter niedergestochen. Sie überlebte nur knapp. „Nie wieder“ steht auf einem Schild. Das ist es wohl, was viele Demonstranten an diesem Tag bewegt: Jetzt kann man noch etwas tun, und darum sollte man nicht zuhause bleiben. Einige würden dabei am liebsten so weit gehen, den AfD-Parteitag komplett zu verhindern. Vor allem am Morgen herrscht rund um das Tagungshotel ein Belagerungszustand.

Die Polizei muss den AfD-Delegierten eine Gasse durch aggressive Demonstranten bahnen. „Ganz Köln hasst die AfD!“, skandieren sie. Und: „AfD Rassistenpack – wir haben euch zum Kotzen satt!“ Plastikflaschen fliegen, immer wieder kommt es zu Rangeleien. Zwei Polizisten werden verletzt. Wasserwerfer fahren auf, die Atmosphäre ist bedrohlich. Dennoch zieht Polizeipräsident Jürgen Mathies am Mittag eine vorsichtig optimistische Zwischenbilanz. „Ich bin sehr zufrieden darüber, dass wirklich die allerallermeisten Menschen sich daran halten, friedlich zu bleiben“, sagt er.

Die Leute vom Links-Bündnis „Solidarität statt Hetze“ werfen ihm indessen vor, mit überzogenen Warnungen vor linksextremistischer Gewalt viele potenzielle Teilnehmer abgeschreckt zu haben. Auf dem Heumarkt stehen jetzt Vertreter von Kölner Bands wie Höhner, Bläck Fööss, Brings und Cat Ballou gemeinsam auf der Bühne. Unter dem Jubel der Zuhörer stimmen sie a cappella den Bläck-Fööss-Song „Stammbaum“ an, der das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlichster Herkunft besingt: „Su simmer all he hinjekumme, mir sprechen hück all dieselve Sproch…“ (So sind wir alle hierhin gekommen, wir sprechen heute alle dieselbe Sprache…“) Passt immer, macht immer Gänsehaut. Aber heute irgendwie besonders. (dpa)