Lkw-Todesfahrt war vermutlich Terroranschlag

Polizisten am Dienstagmorgen vor der Gedächtniskirche in Berlin. | dpa

Am Morgen nach der Lkw-Todesfahrt auf einem Berliner Weihnachtsmarkt verdichten sich die Hinweise: Es war wohl ein Terroranschlag.

Nach der Todesfahrt eines Lastwagens auf einem Berliner Weihnachtsmarkt deutet vieles auf einen Terroranschlag hin. Die Polizei sprach am Morgen nach der Tat von einem «vermutlich terroristischen Anschlag» – einen Unfall schlossen die Ermittler aus. Deutschlands Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte bereits in der Nacht gesagt: «Ich möchte im Moment noch nicht das Wort Anschlag in den Mund nehmen, obwohl viel dafür spricht.» Kanzlerin Angela Merkel wollte sich später am Tag zu der Tat äußern, bei der mindestens zwölf Menschen getötet und rund 50 verletzt wurden. Kurz danach sollte das Sicherheitskabinett in Berlin zusammenkommen.

Der am Montagabend auf der Flucht festgenommene mutmaßliche Lkw-Fahrer stammt nach Informationen des RBB-Inforadios und der Deutschen Presse-Agentur aus Pakistan. Er soll dem Sender zufolge am 31. Dezember 2015 in Passau nach Deutschland eingereist sein. Nach dpa-Informationen kam der Mann wohl im Februar als Flüchtling über die Balkanroute nach Deutschland. Er soll mehrere Identitäten genutzt haben. Der Verdächtige wurde am Dienstagmorgen verhört. Die genaue Identifizierung gestalte sich schwierig, weil er mehrere Namen benutzt haben soll. Der für den Staatsschutz zuständige Generalbundesanwalt in Karlsruhe übernahm die Ermittlungen.

Der mutmaßliche Täter konnte nach einem Medienbericht dank des couragierten Einsatzes eines Augenzeugen gefasst werden.

Der dunkle Lastwagen mit polnischem Kennzeichen fuhr laut Polizei gegen 20.00 Uhr auf einer Strecke von 50 bis 80 Metern über den Markt und zerstörte dabei mehrere Buden. Mindestens zwölf Menschen starben – darunter ein Pole, der auf dem Beifahrersitz saß. Der Lkw gehörte einer polnischen Spedition, wie deren Eigentümer Ariel Zurawski dem polnischen Sender TVN 24 sagte. Der Fahrer, sein Cousin, sei seit etwa 16.00 Uhr am Montag nicht mehr zu erreichen gewesen. «Ihm muss etwas angetan worden sein.» Die Berliner Polizei teilte mit, es bestehe der Verdacht, dass der Sattelschlepper in Polen von einer Baustelle gestohlen worden sei.

Der mutmaßliche Anschlag ruft Erinnerungen an die Terrorattacke von Nizza im Juli wach: Dort waren 86 Menschen ums Leben gekommen, als ein Mann mit einem Lastwagen über die Uferpromenade der Mittelmeermetropole fuhr. Für den Anschlag hatte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) die Verantwortung übernommen.

Der mutmaßliche Täter des Berliner Anschlags konnte nach einem Medienbericht dank des couragierten Einsatzes eines Augenzeugen gefasst werden. Der Zeuge sei dem flüchtenden Lastwagenfahrer gefolgt und habe dabei ständig über Handy die Notrufzentrale über die Position des Mannes informiert, sagte Polizeisprecher Winfrid Wenzel laut «Welt/N24». Nach etwa zwei Kilometern Verfolgungsjagd habe schließlich die Besatzung eines Streifenwagens den Mann an der Siegessäule gestoppt. Mit Hilfe des Zeugen sei es möglich gewesen, den Verdächtigen zu fassen, sagte Wenzel.

Am frühen Morgen durchsuchte die Polizei einen Hangar auf dem früheren Berliner Flughafen Tempelhof. Dort befindet sich Berlins größte Flüchtlingsunterkunft. Es gab keine Festnahmen.

Die Weihnachtsmärkte in Deutschland sollen weiter stattfinden. Die Innenminister von Bund und Ländern sprachen sich am Vormittag gegen eine Absage aus. Dies teilte das Bundesinnenministerium nach einer Telefonkonferenz der Ressortchefs mit. Mehrere Bundesländer überdenken ihre Sicherheitskonzepte.

Der Lastwagen könnte polnischen Medien zufolge am Montagnachmittag in Berlin entführt worden sein. GPS-Daten hätten gezeigt, dass der Wagen ab etwa 16 Uhr mehrmals gestartet worden sei, berichtete der Sender TVN24 unter Berufung auf die betroffene polnische Spedition bei Gryfino in der Nähe von Stettin. Dabei könnte es sich um Versuche eines mutmaßlichen Entführers gehandelt haben, den LKW zu steuern, vermuteten polnische Medien. Gegen 19.45 Uhr habe der Wagen seinen Standort in Berlin endgültig verlassen, hieß es. (dpa)