Kritiker mit kurzen Beinen

Viertklässler einer Düsseldorfer Grundschule schauen sich das Gemälde „Composition IV“ (1911) von Wassily Kandinsky in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen an. | Roland Weihrauch/dpa

Der zehn Jahre alte David kommt direkt zur Sache. „Uns war aufgefallen, dass man an der Fassade etwas verbessern könnte“, sagt der dunkelhaarige Viertklässler und zählt gleich auf: Die dunkel gekachelten Außenwände sind kahl, der Name des Museums fehlt, der Eingang könnte einladender sein.

Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf glänzt mit Meisterwerken von Pablo Picasso, Ernst Ludwig Kirchner, Paul Klee oder Jackson Pollock. Nun haben Grundschüler ein halbes Schuljahr lang das Haus durchforstet und Vorschläge für ein kindgerechteres Haus gemacht. Schon am Eingang würden sie Blumen, Sitzbänke und Sonnenschirme aufstellen. Die langen, schwarzen Bänke im durchgestylten Foyer kamen nicht gut an. „Die sind so unbequem, zu hart und man kann nicht gut reden“, sagt die neunjährige Mathilda. Denn wichtig sei, dass man sich in einer Unterhaltung „ankugt“, wie ein Schüler auf einer Zettelwand notierte. Aber auf den Ledersitzen am Eingang muss man sich dafür verrenken. Was Erwachsene nicht mehr wahrnehmen, fällt den jungen Kritikern auf: Der Eingang ist schwer zu finden, die Drehtür gehorcht eigenen Gesetzen.

Unter den 25 Jungen und Mädchen aus der Klasse 4b der Paul-Klee-Grundschule in Düsseldorf waren einige noch nie zuvor in einem Museum. Ihre Meinung interessiert die Museumspädagogen sehr. „Es gibt viele Aspekte, die uns im Traum nicht eingefallen sind“, sagt Marijke Maschwitz und erzählt von einem Kind, das den Tresen mit der Kasse zu hoch findet. „Ich kann nicht sehen, was die da machen!“, sagte es und schlug eine kleine Treppe vor. Programme für Kinder machen viele Museen, aber nach ihrer Meinung werden sie selten ausdrücklich gefragt.

Das Berliner Bode-Museum aber wird bis Ende 2020 zum Experimentierfeld: Schüler und Lehrer aus neun Partnerschulen in der Stadt entwickeln und probieren mit Museumsleuten neue Vermittlungsansätze. Für Susanne Gaensheimer, die Direktorin der Kunstsammlung NRW, geht es im Düsseldorfer Projekt zuallererst darum, dass Kinder sich angesprochen und eingeladen fühlen. Wenn der zehnjährige Surosch bemängelt, dass der Text auf den Schildchen neben den Gemälden schwer zu lesen ist, sagt die Museumschefin: „Da habt Ihr echt recht“. David findet die einfarbigen Papierstreifen ums Handgelenk als Eintrittskarte „langweilig“, er schlägt Bänder aus Leder oder Stoff vor. „Dann hat man auch eine Erinnerung an das Museum.“ Eine gute Idee sei das, sagt Gaenzheimer – aber Leder sei leider zu teuer. „Das eine oder andere können wir sicher übernehmen“, meint die Museumschefin.

Die Viertklässler haben auch kleine Sofa-Modelle gebastelt. Eine runde Bank mit rotem Bezug trägt ein Schild „Entspann‘ Dich“. Die zehn Jahre alte Kawal hat ein fröhliches, gelbes Sofa mit Tiermotiven gebaut: „Für kleine Kinder“, sagt sie. Ideen für Museumsaktionen haben die Schüler auch: Suchspiele nach Motiven, Formen oder Farben. Andere wollen die Bilder als Vorlage für einen Tanz nehmen, andere Yoga nach Formen und Bewegungen in den Werken machen. Im neuen Schuljahr lädt die Kunstsammlung, eines der besucherstärksten Museen in NRW, wieder junge Kritiker ein. Eine andere Klasse nimmt dann das Museum unter die Lupe. (dpa)