Johnny Hallyday: „Mit ihm geht eine Epoche“



Generationen von Menschen nicht nur in Frankreich haben ihn angehimmelt und gefeiert. Mit seinen Konzerten füllte Johnny Hallyday die größten Säle und Stadien bis zum letzten Platz. Durch seine unerschütterliche Durchhaltekraft ist er zu einer Ikone geworden. Nun hat der Krebs den Rock- und Schlagersänger besiegt. Hallyday ist in der Nacht zum Mittwoch im Alter von 74 Jahren gestorben. Er hinterlässt nicht nur unvergessliche Lieder, sondern eine Nation, die mit dem Sänger ein „Monument“ und einen „Giganten des Chansons“ verloren hat. Selten löste der Tod eines Sängers eine solche Welle der Anteilnahme und Bekundungen aus. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron reagierte noch in der Nacht. „Von Johnny Hallyday werden wir weder den Namen, noch die Schnauze oder die Stimme vergessen“, hieß es in der langen Würdigung. „Er hat einen Teil von Amerika in unser nationales Pantheon gebracht“, erklärte er in der Mitteilung weiter. In jedem von uns stecke etwas von Hallyday.

Als einen „Giganten des Chansons“ ehrte ihn Ex-Präsident Nicolas Sarkozy. Für den Sozialisten Benoît Hamon ist mit Hallyday ein „Wahrzeichen“ gegangen. Das sei ein wenig so, als hätte Paris seinen Eiffelturm verloren, schrieb der Präsidentschaftskandidat von 2017 auf seinem Twitter-Account. Auch Frankreichs Ex-Leinwandstar Brigitte Bardot würdigte Hallyday als Monument. Mit ihm gehe eine ganze Epoche, schrieb sie in einer Mitteilung. Frankreichs Medien widmeten sich den ganzen Tag über dem Tod der Ikone.

Hallyday war tatsächlich ein Phänomen. Im Jahr 2000 feierte er mit mehr als einer halben Million Zuschauern auf dem Marsfeld sein 40-jähriges Bühnenjubiläum mit einem Gratiskonzert. Zwei Jahre zuvor füllte er fünf Mal hintereinander das Pariser Fußballstadion Stade de France mit über 80.000 Plätzen aus. „In Frankreich ist Hallyday unerreichbar“, erklärte der britische Musiker Mick Jagger damals voller Bewunderung.

Seine Konzerte waren einzig. Schweißgebadet riss er seine Fans stundenlang mit. Täglich trainierte er zwei bis drei Stunden, um fit für die Bühne und sein Publikum zu sein.

Hallyday hat den Rock auf Französisch interpretiert. Dabei hat er einen ganz eigenen Stil entwickelt, denn er integrierte in seine Musik die verschiedensten Trends: Dem Rock’n Roll folgten Country, Psychedelisches, Techno und Hip-Hop. Er arbeitete mit Pop-Stars wie Jon Bon Jovi und Patrick Bruel zusammen. Mit Songs wie „Quelque chose de Tennessee“, „Oh, ma jolie Sarah“ oder „Je t’aime“ schwankte er musikalisch zwischen Joe Cocker, Elvis Presley und Georges Brassens.

Jean-Philippe Smet, so sein bürgerlicher Name, wurde das Showbusiness gewissermaßen in die Wiege gelegt. Er wurde als Sohn eines belgischen Schauspielers, Sängers und Tänzers in Paris geboren, der die Familie verließ, als Hallyday acht Monate alt war. Weil die Mutter arbeitete und keine Zeit für ihn hatte, wuchs er bei ihrer Schwester auf, die mit ihren Töchtern und dem knapp einjährigen Johnny ab 1944 auf Tanztournee ging. Die Gruppe nannte sich „The Hallydays“. Als Teenager kehrte er nach Paris zurück, wo er sich als Gelegenheitssänger und Pausenfüller in den Musikclubs um die Place Pigalle sein Geld verdiente. Was für die amerikanischen Jugendlichen die Beatles und Presley waren, war für die französischen Jugendlichen der Halbstarke Hallyday mit der Grölstimme. Als Vorbilder dienten Hallyday tatsächlich der US-amerikanische Rock ‚n‘ Roll und Elvis Presley. Und so wie Elvis leistete auch er seinen Wehrdienst in Deutschland ab und nahm dort einige seiner erfolgreichsten Rock-‘n‘-Roll-Platten auf. Hallyday galt unter den Popmusikern als Schwerarbeiter. In seiner über 55-jährigen Karriere ging er auf mehr als 180 Tourneen, verkaufte mehr als 110 Millionen Schallplatten und wurde mit rund 40 Goldenen Schallplatten ausgezeichnet. Im Jahr 2009 begann er seine Abschiedstour, die nach einer Bandscheibenoperation jedoch ein jähes Ende fand, woraufhin er sich nach Komplikationen mehrere Tage im künstlichen Koma befand.

Der Weg zur Genesung war lang. Doch Hallyday war ein Kämpfer, wie auch einer seiner Freunde, der Regisseur Claude Lelouch, sagte. Erst am 15. Juni 2010 zu seinem 67. Geburtstag stand der Starrocker wieder auf der Bühne, denn er musste aufgrund der künstlichen Beatmung über längere Zeit hinweg das Sprechen und Singen erneut erlernen.

In dieser Zeit veröffentlichte er sein neues Album „Jamais Seul“, Niemals allein. Im selben Jahr wurde er wegen Darmkrebs operiert. Im März 2017 verkündete Hallyday, dass er an Lungenkrebs litt. Neben seinem Ruf als Rocker baute sich Hallyday auch eine Schauspielkarriere auf. So arbeitete er unter anderem mit Jean-Luc Godard, Costa-Gavras, Patrice Leconte und Claude Lelouch, mit dem er den im März 2017 erschienenen Film „Chacun sa vie“ drehte. Im Krimi „David Lansky“ war er auch im deutschen Fernsehen zu sehen. Der Rocker hat sich ein Vermögen ersungen, weshalb er im Jahr 2006 versuchte, die belgische Staatsbürgerschaft zu bekommen, um Steuern zu sparen. Als das vor zehn Jahren nicht klappte, verlegte er seinen Wohnsitz vorübergehend in die Schweiz, wo er sich in der Schickimicki-Stadt Gstaad niederließ, bevor er nach Los Angeles umzog. Steuerflucht, mehrere Scheidungen, Alkohol, Drogen, Vorwurf von Vergewaltigung: Seine Beliebtheit hat nie Schaden genommen. Denn Hallyday verkörperte den Traum von Freiheit – und den Erfolg des kleinen Mannes.

Zu Belgien hatte er ein gespaltenes Verhältnis, weil damit die Erinnerungen an seinen Vater verbunden waren. Das hat er auch musikalisch verarbeitet. „Jeder von uns hat sofort ein Lied auf den Lippen, wenn er den Namen Hallyday hört“, schrieb Premierminister Charles Michel (MR) im Kurznachrichtendienst Twitter. Am Mittwochabend findet zwischen 18 und 19 Uhr eine Gedenkveranstaltung auf dem Grand‘Place im Herzen Brüssels statt. Dann werden unter anderem seine größten Hits gespielt, hieß es. (belga/dpa)