Geplante Exhumierung Francos spaltet Spanien

Ein 155 Meter hohes und 44 Meter breites Betonkreuz steht auf dem Berggipfel Risco de la Nava hinter der Benediktinerabtei im Valle de los Caidos (Tal der Gefallenen). In dem Monument befinden sich die Grabstätten des Diktators Francisco Franco und des Gründers der faschistischen Bewegung Falange, José Antonio Primo de Rivera. | Ana Lázaro/dpa

„Papa, warum soll Franco ausgegraben werden?“ Ein kleiner Junge schaut neugierig zu seinem Vater auf. „Ich weiß es nicht, mein Kind. Vielleicht, um die Toten zu ärgern“, antwortet der Mann und zuckt mit den Schultern. Zusammen mit anderen Besuchern stehen die beiden vor dem Grab des spanischen Diktators Francisco Franco (1892-1975) in dessen monumentalem Mausoleum nördlich von Madrid. Vielleicht ist es die letzte Gelegenheit, denn die Ruhestätte des „Generalísimo“ könnte bald von dort verschwinden.

Seit Jahrzehnten reißen die Debatten zudem Thema nicht ab.

Die neue Regierung des Sozialisten Pedro Sánchez hat angekündigt, die Gebeine umbetten lassen zu wollen. Seit Jahrzehnten reißen die Debatten zu dem Thema im Parlament wie auch in der Bevölkerung nicht ab – jetzt sollen den Worten Taten folgen. Damit sind bei Weitem nicht alle einverstanden: Das Grab im „Valle de los Caídos“ (Tal der Gefallenen) ist eine beliebte Pilgerstätte gleichsam für Franco-Anhänger wie für Rechtsextreme. Den Plänen zufolge soll das Mausoleum nun in einen „Ort der Versöhnung“ umgewandelt werden.

Bereits 2017 hatte das Parlament in Madrid einen Antrag der Sozialisten zu der Umbettung angenommen. Die damals regierende konservative Volkspartei war aber nicht verpflichtet, dem Antrag Folge zu leisten. Nachdem die Sozialisten nun an der Macht sind, haben sie das Thema zu einer ihrer Prioritäten gemacht.

Die Gebeine könnten möglicherweise noch vor den Sommerferien im August an einen anderen Ort gebracht werden, hatten spanische Medien Ende Juni unter Berufung auf Regierungskreise berichtet. Allerdings scheint sich die Familie Francos bisher standhaft gegen ein solches Vorhaben zu wehren, weshalb weiterhin kein Termin für die Umbettung angesetzt wurde. Wohin die Reise für die Überreste Francos geht, ist ebenfalls noch unklar.

Angestellte in dem Monument stellen derweil Spekulationen an: „Ich glaube, dass es am 18. Juli passieren wird, wenn die letzten Besucher gegangen sind“, sagt ein Mitarbeiter mit Blick auf den Jahrestag des Beginns des Spanischen Bürgerkriegs (1936-39). Damals kämpften faschistische Truppen drei Jahre lang gegen die Zweite Spanische Republik, unterstützt von Italien und Deutschland. Franco, in dessen Namen unzählige politische Gegner ermordet wurden, ging als Sieger aus dem Konflikt hervor und blieb bis zu seinem Tod 36 Jahre später an der Macht.

Allerdings gibt es neben juristischen Hürden und den nur schleppend voranschreitenden Verhandlungen mit den Nachfahren noch ein Problem: die Sommerhitze. Denn in vielen spanischen Städten seien Exhumierungen im Sommer aus hygienischen Gründen verboten, schrieb die Zeitung „La Vanguardia“ zuletzt. Seit Wochen schwitzt die Region bei Temperaturen von mehr als 30 Grad – und bald könnte es noch wärmer werden. In diesem Fall müsste der Plan eventuell bis zum Herbst oder Winter verschoben werden, so das Blatt.

Der Bürgermeister von Francos Geburtsstadt Ferrol im nordspanischen Galicien erklärte jetzt, seit Kurzem sei bekannt, dass die Familie des Diktators dort über eine unbenutzte Grabstelle verfüge. Es sei „unerträglich“, dass Franco weiter im „Valle de los Caídos“ ruhe, das Monument müsse abgerissen werden, forderte er. Die Familie habe aber das Recht, seine Gebeine nach Ferrol bringen zu lassen. Die dubiose Stiftung „Fundación Nacional Francisco Franco“ startete derweil eine Petition auf der Plattform Change.org, um die Exhumierung zu unterbinden. Der Titel: „Respekt für die Toten. Nein zur Schändung des Tals der Gefallenen.“ Fast 40.000 Menschen unterzeichneten bereits.

Wie sehr die Diktatur die Spanier bis heute beschäftigt und wie unterschiedlich die Standpunkte sind, zeigt sich an Francos Grab in besonderem Maße. 400.000 Menschen kommen jährlich her – die Motive für einen Besuch reichen von Glorifizierung bis zu bitterer Abscheu. Wenn die Wächter am Grab nicht hinsehen, dann wird auch mal auf die schwere Granitplatte gespuckt oder mit den Füßen darauf getreten. Andere legen Blumensträuße nieder. Der eindrucksvolle Bau war zu Lebzeiten Francos in dessen Auftrag entstanden. Die Arbeiten an der Basilika, einer Art künstlichen Höhle, begannen 1940: Rund 20.000 republikanische Zwangsarbeiter trieben das Denkmal in 19 Jahren unter unmenschlichen Bedingungen in den Fels der Sierra de Guadarrama, viele überlebten die Strapazen nicht.

1959 wurde das Monument von Franco eingeweiht. Über allem thront ein gewaltiges Kreuz, 155 Meter hoch, 44 Meter breit und von weithin sichtbar. In der Gruft ruhen neben Franco und dem Gründer der faschistischen Falange-Bewegung, José Antonio Primo de Rivera, auch mindestens 30.000 Opfer des Bürgerkriegs, darunter sowohl Faschisten als auch Republikaner. „Wenn man Francos Grab verlegen und das „Tal der Gefallenen“ schließen will, dann muss man konsequenterweise auch das römische Kolosseum zumachen“, meint Agustín, der an diesem Morgen ebenfalls das Kriegerdenkmal besichtigt. An anderen Orten seien schließlich auch barbarische Dinge geschehen. (dpa)