Warum das Regime in Aleppo gewinnt

Solche Bilder prägen den aktuellen Zustand von Aleppo. | afp

Von Jan Kuhlmann

Als eine der größten Städte des Landes ist Aleppo im syrischen Bürgerkrieg symbolisch und strategisch wichtig. Nach dem Vormarsch des Regimes droht den Rebellen der Verlust der früheren Handelsmetropole. Die wichtigsten Fragen zur Situation im Bürgerkrieg:

Wie sieht die militärische Lage in Aleppo aus?

Vor mehr als vier Jahren übernahmen Rebellen Teile Aleppos, seitdem ist die Stadt geteilt. Das Regime kontrolliert den Westen, seine Gegner den Osten. In nur wenigen Tagen konnten die Anhänger von Machthaber Baschar al-Assad jedoch von Norden her tief in die Stadtteile der Opposition vordringen. Jetzt kontrollieren sie mehr als ein Drittel des bisherigen Rebellengebietes. Das russische Militär erklärte sogar, die Armee habe die Hälfte dieses Gebietes eingenommen. Die Regimegegner in Ost-Aleppo hätten einen „schnellen Zusammenbruch“ erlebt, sagt Thomas Pierret, Syrien-Fachmann von der Edinburgh-Universität. Die Armee kann den Rest der Stadt jetzt möglicherweise zügig einnehmen.

Warum konnten dem Regime diese Erfolge jetzt gelingen?

Syrien und seine Verbündeten nutzen die Handlungsunfähigkeit der US-Regierung vor der Amtsübernahme des gewählten Präsidenten Donald Trump im Januar. Bereits im Sommer gelang es Assads Truppen, eine Blockade über Aleppo zu verhängen, die die Regimegegner nur für wenige Wochen unterbrechen konnten. Die Rebellen erhalten deswegen keinen Nachschub mehr. Dementsprechend geschwächt sind sie jetzt. So besitzen sie nur noch leichte Waffen. Zugleich nahmen die Luftangriffe auf den Osten Aleppos massiv zu.

Welche Rolle spielen Russland und der Iran?

Moskau und Teheran sind die wichtigsten Verbündeten des Regimes. Nur mit ihrer Hilfe war der Vormarsch der Assad-Anhänger in Aleppo und anderen Regionen Syriens möglich. An der Seite der Armee kämpfen zahlreiche schiitische Milizen aus dem Ausland, etwa aus dem Libanon und dem Irak. Russische Jets fliegen Luftangriffe. „Die syrische Regierung ist hier nur ein Akteur am Rand“, sagt Thomas Pierret.

Und was macht der Westen?

Er dringt darauf, die Kämpfe einzustellen und Hilfslieferungen nach Aleppo zu bringen. Doch es besteht kaum Aussicht auf Erfolg der Appelle. In diesem Jahr scheiterten gleich mehrere Versuche, eine dauerhafte Waffenruhe für Aleppo zu erreichen. Das Regime ist auf dem Vormarsch und hat kein Interesse an einer Waffenruhe.

Die Regimegegner zeigen sich schwer enttäuscht vom Westen. „Die Welt betreibt eine niederträchtige Politik“, sagt Usama Abu Seid, Berater der oppositionellen Freien Syrischen Armee (FSA). „Sie ignoriert die Rolle Russlands und des Irans bei der Besatzung Syriens und gleichzeitig hindert sie uns daran, an Waffen zu kommen.“

Ist der Bürgerkrieg jetzt bald zu Ende?

Sollte das Regime Aleppo vollständig einnehmen, hätte Assad die Kontrolle über alle großen Städte zurückgewonnen. Den Rebellen bliebe neben kleineren Gebieten vor allem die ländliche Provinz Idlib im Nordwesten des Landes. Trotzdem dürfte der Krieg in Syrien noch lange weitergehen. Die Rebellen in Syrien wollen nicht aufgeben. Viele ziehen es vor, zu sterben. Die Rebellen in Idlib, unter denen radikale Gruppen sehr stark sind, können außerdem noch Nachschub aus der Türkei erhalten. Zudem kontrolliert die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) noch immer große Gebiete in Syrien. Im Norden kämpfen auch noch von der Türkei unterstützte Rebellen gegen Kurden.

Wie sieht die humanitäre Lage in Aleppo aus?

Tausende sind auf Flucht vor den heftigen Kämpfen und Luftangriffen. Einwohner berichten von Chaos, Panik und Verzweiflung unter den Menschen. Wegen der Blockade hat sich die humanitäre Lage im Osten Aleppos in den vergangenen Monaten immer weiter verschlechtert. Rund 250.000 Menschen sollen dort nach Schätzungen noch leben. Nach UN-Angaben sind die Lebensmittelvorräte praktisch aufgebraucht. Auch an sauberem Wasser und Strom mangelt es. Zudem gibt es den UN zufolge keine funktionierenden Krankenhäuser mehr. Teilweise wurden in Kellern Notfallkliniken eingerichtet. Ein Mediziner berichtete, es fehle an Medikamenten. „Es gibt auch keine Nahrung für die Patienten“, erklärte er. „Wir haben nur Essen für die Mitarbeiter.“ Alle 25 Betten seien belegt, Verletzte müssten auf Operationen warten. (dpa)