Obsiegt die Vernunft im Superwahljahr?



Große Ereignisse werfen bekanntlich große Schatten voraus. Deshalb kann man jetzt schon zwischen Göhl und Our Hufgescharre vernehmen. Selbst wenn einige potenzielle Kandidaten wahrscheinlich noch nicht einmal wissen, dass sie auf einer Liste landen werden. Und manche noch nicht einmal, auf welcher.

Es steht einiges auf dem Spiel. Nicht nur, weil gleich vier Parlamente neu zusammengesetzt werden. Vielmehr gehe, wie Gemeinschaftssenator Lambertz dem GrenzEcho gegenüber erklärte, die Staatsreform in die entscheidende Phase. Zumindest aus Sicht der Deutschsprachigen Gemeinschaft.

Seit fast genau 25 Jahren besagt der erste Artikel unserer Verfassung: „Belgien ist ein aus den Gemeinschaften und den Regionen bestehender Föderalstaat.“ Damit ist es aber noch nicht getan.

Nach vier Jahren Moratorium könnte es mit dem Umbau des Staates weitergehen. Im Ausschuss 1 des PDG bereitet man sich fleißig vor. Und erntet dafür, wie der derzeitige Parlamentspräsident Alexander Miesen zu berichten weiß, schon mal bewundernde wenn nicht gar verwunderte Blicke in Brüssel.

Lambertz ist ein Mann mit Weitsicht. Das können ihm selbst seine Gegner nicht absprechen. Also blickt er nach vorne. Nämlich auf die 40-Jahr-Feier von Verfassungsartikel 139 im Jahr 2024. Der erlaubt es der Wallonischen Region und der Deutschsprachigen Gemeinschaft, Kompetenzen von Ersterer an Letztere zu übertragen. Derzeit arbeitet man u.a. an der Übertragung des Wohnungsbaus und der Raumordnung. Energie- und Wirtschaftspolitik sowie Straßenbau sollen folgen. Manche stellen sich die bange Frage, ob sich die DG damit nicht übernimmt.

Lambertz mahnt angesichts der Risiken zur Geschlossenheit. Er weiß aus seiner langen politischen Erfahrung, dass die DG immer erfolgreich war, wenn man zusammengestanden, und an einem Strang gezogen hat.

Vor allem beim Ausformulieren von Verfassungsartikeln, aber auch beim Schnüren von Finanzpaketen. Sonst könnte es um die schwarze Null schnell geschehen sein.

Womit wir wieder beim Superwahljahr wären. Erst die Kommunal- und Provinzialwahlen im Herbst und dann die Alles-Wahlen im Mai 2019 – da könnte der Konsens leicht ins Schlingern geraten. Zumal man ja auch noch Ballast von der letzten Wahl im Jahr 2014 mit sich schleppt. So will das Gerücht nicht verstummen, wonach sich zeitweise zwei verschiedene Koalitionen parallel entwickelten.

Schon jetzt wirft man sich gegenseitig Populismus vor. Oder vermutet wahltaktisches Geschacher hinter dem Gezerre um die Millionen, die mit der Kompetenz Wohnungsbau von Namür nach Eupen umgesiedelt werden sollen.

Dass die Akteure nervös werden, ist normal: Es steht viel auf dem Spiel. Für die CSP gilt es, nach rund 20 Jahren an die Macht zurückzukehren. Sonst droht das Abrutschen ins Mittelmaß. Die aktuelle Mehrheit aus ProDG, SP und PFF möchte ihr Regionales Entwicklungskonzept REK zu Ende führen, das sie 2008 angestoßen hat. Wobei jeder auf den jeweils anderen schielt, ob der sich nicht anderweitig verlobt. Ecolo möchte wieder Fraktionsstärke erlangen. Von der Vivant nach dem Wahlerfolg im Jahr 2014 träumt.

Es könnte ein heißes politisches Jahr werden– ungeachtet des Klimawandels. Ob die politische Vernunft die Oberhand behält oder die Emotionen stärker sein werden, müssen die Akteure für sich selbst ausmachen. Der Bürger wünscht sich sicher Ersteres.