Belgier Hans Op de Beeck zeigt gut ausgeleuchtete Filmsettings

Hans Op de Beecks Rauminstallation „The Collector’s House“, 2016. | dpa

In die riesige Ausstellungshalle des Kunstmuseums Wolfsburg hat der belgische Künstler Hans Op de Beeck eine faszinierende Parallelwelt gebaut. Wer sich die Miniaturen genauer anguckt, erkennt jedoch, dass dieser Spiegelung der realen Welt etwas fehlt.

Die geöffnete Cola Dose im „Collector’s House“ sieht bis auf die graue Farbe täuschend echt aus. Doch der Schein trügt. Wer die Dose aufhebt, ist überrascht, wie schwer dieser Klumpen ist. Erst der Mensch belege die Dinge mit einer bestimmten Bedeutung, erklärt der Künstler Hans Op de Beeck bei einem Rundgang durch seine Ausstellung. Wie sehr er sich dabei täuschen kann, zeigt schon die erste Station der großen Retrospektive „Out of the Ordinary“, die das Kunstmuseum Wolfsburg dem Belgier auf zwei Etagen widmet.

Nichts in der eleganten, komplett in grauer Farbe gehaltenen Bibliothek ist echt. Die Pizza-Packung vom Bringdienst entpuppt sich als klobige „Installation einer Pizza-Packung“, sagt Op de Beeck. Die weich und einladend aussehenden Sofas sind so steif, dass sich eine hochrangige Besucherin schon einmal kräftig das Gesäß bei einem Sitzversuch gestoßen habe, erzählt der Künstler. Op de Beeck ist bekannt für seine Rauminstallationen in allen Größen, die die Besucher in eine andere Welt entführen.

Die eröffnet sich den Gästen in Wolfsburg bereits in einem grandiosen Überblick, wenn sie auf den Balkon des „Collector’s House“ treten. Von einer dunklen Dachterrasse blickt der Besucher auf die Dächer von Industriebauten und Lagerhäusern. Straßenlaternen und brennende Feuertonnen erhellen die Szenerie; mittendrin sprudelt majestätisch eine Fontäne. Die Häuserlandschaft befindet sich eine Etage tiefer im Erdgeschoss. Für die Schau werden die Besucher erstmals über die Empore der Kunsthalle in eine Ausstellung geleitet, erklärt Museumsdirektor Ralf Beil. Es gehe in der Schau auch darum, einen neuen Blick auf die Raumgestaltung der Orte zu entwickeln, in denen wir uns in unserem Alltag bewegen.

Wer sich von dem Ausblick losreißt und in die geisterhafte Stadt hinabsteigt, kann zwischen Mülltonnen und Maschendrahtzäunen durch dunkle Gassen spazieren und in jedem Gebäude ein anderes Werk des Künstlers entdecken. Dabei spiegelt sich die Vielseitigkeit von Op de Beecks Schaffen in den Ausstellungsräumen wieder. Der 1969 geborene Künstler hat bereits als Dramatiker, Komponist und Theater-Regisseur gearbeitet. Besonders seine Auseinandersetzung mit Bühnensituationen ist bei fast jeder seiner Arbeiten spürbar.

Da ist die Miniaturversion einer winterlichen Straßenkreuzung bei Nacht zu sehen. Schnee und Eis scheinen die circa 60 Zentimeter breiten Fahrbahnen zu bedecken. Obwohl weder Autos noch Fußgänger zu sehen sind, schalten die Ampeln stur von rot auf grün. In einem anderen Raum schimmern über einem künstlichen See die Lichter einer idyllischen Wassersiedlung. Kleine, extrem detaillierte Holzhäuser und Stege zeigen einen verführerischen Lebensraum.

Eine Kette von Lampions deutet auf ein Fest oder eine Party hin, aber die Menschen sind alle verschwunden. In einem anderen Haus rauscht ein festlich erleuchteter Ozeanriese, dessen Lichter sich im Wasser spiegeln, durch die schwarze Nacht.

Konkrete Geschichten sind nirgendwo zu erkennen, auch Menschen fehlen in den meisten Arbeiten. Die Schau wirkt stellenweise wie die Ausstellung von gut ausgeleuchteten Filmsettings, die erst noch bespielt werden müssen. Vielleicht kann das später durch die Besucher passieren, die ihre eigenen Fantasien bei der Entdeckung dieser faszinierenden Parallel-Welten miteinbringen müssen. (dpa)