40 Jahre „Oxygene“ - Ein Cover so legendär wie die Musik

Michel Granger vor seiner Arbeit „Oxygene“ in seinem Pariser Atelier. Totenkopf und zerstörte Erde: Das Cover von „Oxygene“ hat Geschichte geschrieben. | Sabine Glaubitz/dpa

Die Motive sind dieselben. Geändert hat sich auf der neuen Platte „Oxygene 3“ von Jean-Michel Jarre lediglich die Perspektive: Der Totenschädel bricht seitlich aus dem zerstörten Planeten hervor und nicht mehr frontal zum Betrachter, so wie auf dem Debütalbum „Oxygene“ vor 40 Jahren. Entdeckt hat Jarre die visuelle Welt des Künstlers Michel Granger wenige Monate vor seinem bahnbrechenden Album im Jahr 1976. Er fand, dass sie seine Musik wunderbar ergänze, wie der 68-Jährige heute noch sagt. Deshalb erscheint „Oxygene 3“ an diesem Freitag (2. Dezember) auch wieder mit einem Totenkopf – ein 3D-Modell der Original-Grafik des Malers Michel Granger.

Granger ist seinem Sujet ebenso treu geblieben wie Jean-Michel Jarre seiner Musik.

Die von dem französischen Künstler geschaffene Plattenhülle war damals ebenso ungewöhnlich wie die Synthesizer-Musik von Jarre. Er habe sofort gespürt, dass sie vollkommen zu seiner Musik passe, erklärte Jarre in einem Interview zum 40. Jubiläum von „Oxygene“. Sie sei legendär geworden und zu einem ökologischen Warnzeichen. Für Jarre und Granger bedeutete das Album den Durchbruch. Jarre wurde zum Meister elektronischer Klänge, Granger zu einem bekannten und engagierten Künstler.

Das Bild hatte Jarre damals durch seine Ex-Partnerin, Schauspielerin Charlotte Rampling, entdeckt. Die heute 70-Jährige hatte das Aquarell in einer Pariser Galerie gekauft, erinnert sich Granger. Kurze Zeit später habe die Galeristin ihn angerufen und ihm gesagt, dass ein Monsieur Jean-Michel Jarre ihn sehen wolle, sagte der Künstler der Deutschen Presse-Agentur. Die Begegnung habe am 15. September 1976 um 17 Uhr stattgefunden, präzisiert der 70-Jährige nach einem Blick in sein Tagebuch von einst. Beide waren noch keine Dreißig, beide standen am Anfang ihrer Karriere.

Granger lebt seit 1969 in Paris. Geboren wurde der Maler, Grafiker und Bildhauer in Roanne, rund 100 Kilometer von Lyon entfernt, wo er Student an der Schule für Schöne Künste war. Zunächst hielt er sich mit Designentwürfen für Möbel über Wasser, bevor ihn der Asterix-Erfinder René Goscinny als Zeichner in die Redaktion von „Pilote“ holte, einer wöchentlich erscheinenden Cartoon- und Comic-Zeitschrift. Goscinny hatte sie im Jahr 1959 unter anderem mit Asterix-Zeichner Albert Uderzo gegründet.

Der Name des Covers geht auf eine von Granger veröffentlichte Illustration in „Pilote“ im Jahr 1972 zurück. „Zusammen mit Jean-Michel haben wir nur den Hintergrund abgeändert“, erzählt der Maler. Im Nachhinein findet er, dass Jarre für die damalige Zeit ziemlich mutig gewesen sei, für ein Musikalbum als Cover einen Totenkopf zu wählen.

Die Ökologiebewegung steckte damals noch in den Kinderschuhen, als Granger in „Pilote“ seine Arbeiten zum Thema bedrohte Erde veröffentlichte. Als dunkel und surreal, das Weltall und unseren Lebensraum auf der Erde betreffend, so beschreibt Jarre das Cover. An dem visuellen Universum des Künstlers hielt der Musiker fest. Nach „Oxygene“ folgten unter anderem „Equinoxe“, „Rendez-vous“, „Chronologie“ und „Oxygene 7-13“.

Granger ist seinem Sujet ebenso treu geblieben wie Jarre seiner Musik. Geändert haben sich bei dem Maler lediglich Technik und Bildträger. Er entwarf Briefmarken für internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen und die Unesco und Skulpturenprojekte für den öffentlichen Raum. Nach dem Tian’anmen-Massaker in Peking im Jahr 1989 begann er mit Panzern zu malen – aus Protest gegen die gewaltsame Niederschlagung. „Herbarium“ heißt sein jüngster Zyklus. Ein 2015 begonnenes Kunstprojekt, bei dem er mit abgeholzten Ästen, Zweigen und einer Straßenwalze arbeitet. Ein künstlerisches Aufbegehren gegen die Vernichtung der Lunge der Welt. Eine seiner Straßenwalzen-Performances fand in Indien statt. Dort bedrohen die intensiven Abholzungen mittlerweile die Bergwelt. (dpa)