Weltgrößte Gendatenbank für Bananen in Löwen

Zehntausende Bananenpflanzen recken sich dem Licht entgegen – und das nicht auf einer Plantage in Ecuador oder Costa Rica sondern in Löwen. Ein Raum der Katholischen Universität (KUL) beherbergt die weltgrößte Gendatenbank für Bananen. Mehr als 1.500 Sorten mit je bis zu 20 Pflanzen sprießen hier in Reagenzgläsern mit nährstoffreichem Gel. „Wenn diese Sammlung in den 1950ern existiert hätte, dann würden wir heute vielleicht eine andere Banane essen oder wir würden verschiedene Bananensorten essen“, spekuliert Professor Rony Swennen, Chef des Löwener Labors zur Verbesserung tropischer Nutzpflanzen. „Manche denken, es gibt nur eine einzige (roh essbare) Dessertbanane. Aber es gibt viele“, sagt der drahtige Wissenschaftler.

Nicht alles davon hätte indes das Zeug zum Verkaufsschlager: Wilde Varianten der ursprünglich aus Asien stammenden Urwaldpflanze enthalten Kerne, aber wenig bis gar kein Fruchtfleisch, wie Swennens Kollege Bart Panis erklärt. Doch auch die kernlosen Essbananen haben weit mehr zu bieten als die heute allgegenwärtige Sorte Cavendish: Es gibt rote Bananen, grün-bräunliche, bauchig-ovale, große und kleine, manche erinnern im Geschmack an Äpfel oder Avocados. Nicht einmal alle davon sind gekrümmt, weil sie der Sonne entgegengewachsen sind. Und wer den Cavendish-Vorgänger Gros Michel kennt, trauert dieser Banane nach: „Die schmeckte besser als die Cavendish – intensiver, bananiger“, schwärmt der Fruchtimporteur Hans-Peter Weichert.

Doch die Panama-Krankheit, ein Pilz, beendete in den 1950er Jahren den Siegeszug der Gros Michel. Heute setzt ein anderer Stamm dieses Pilzes auch der Cavendish zu – obwohl Swennen Unkenrufe vom Ende der Banane für überzogenen Alarmismus hält. Vorsorgemaßnahmen wie Quarantäne zeigten durchaus Erfolge etwa in Mosambik. Außerdem gehe es ja nicht nur um die Cavendish. „Die Banane ist nicht in Gefahr und die Krankheit wird die Banane nicht zerstören“, versichert er.

Die Vorherrschaft der Cavendish mit ihren Monokulturen bereitet den Löwener Wissenschaftlern dennoch Sorgen. In vielen Entwicklungsländern sind Bananen ein Grundnahrungsmittel, mit dem sich alles mögliche anstellen lässt. „Was immer Sie mit einer Kartoffel machen können, kann man auch mit einer Banane machen“, erzählt Swennen. „Also braten, pürieren. Man kann Gin daraus machen, wenn man möchte. Chips kann man machen.“ Bauern in Asien, die von lokalen Sorten auf die Cavendish umsteigen, gingen ein Risiko ein, warnt sein Kollege Panis. Vielfalt bietet Sicherheit.

Doch heutige Speisebananen sind auch deshalb besonders empfindlich, weil sie sich genetisch so ähnlich sind. Im Gegensatz zu blühenden Wildbananen vermehren sie sich über Ableger. Genetische Veränderungen entstehen allenfalls durch Mutationen – Trippelschritte im Vergleich zu dem, was geschieht, wenn sich Pflanzen befruchten und dabei ihr Erbgut miteinander kombinieren. „Sie sind anfälliger, (…) weil die Vielfalt so begrenzt ist“, erklärt Ines Van den houwe, Kuratorin der Bananensammlung. Die Löwener Sammlung soll deshalb auch eine Art Versicherung sein. Die Pflänzchen wachsen im Reagenzglas ganz langsam. Einmal pro Jahr setzen die Experten einen kleinen Teil aus der Sprossspitze in ein neues Gefäß, wo dann wieder eine Pflanze heranwächst. 65 Prozent der Sorten gibt es mittlerweile nicht nur im Reagenzglas, sondern auch „kryokonserviert“.

Bei minus 196 Grad Celsius kommt der Zellstoffwechsel zum Erliegen, doch ist Material lebensfähig, sobald es wieder auf Normaltemperatur gebracht wird. Panis hebt den Deckel von einem fassartigen Tank, weiße Schwaden entweichen. Konserviert von flüssigem Stickstoff lagern millimetergroße Gewebefetzen mit sogenannten totipotenten Zellen, aus denen eine gesamte Pflanze entstehen kann – vergleichbar einem menschlichen Embryo. Zur Sicherheit gibt es im südfranzösischen Montpellier ein stetig wachsendes Duplikat der Sammlung. „Wir spielen eine sehr wichtige Rolle“, als Rückversicherung für Freiluftsammlungen in aller Welt, sagt Van den houwe. „Um sicherzustellen, dass dieses Material irgendwo auf der Welt erhalten bleibt.“

Im Gegensatz zu Uni-Professor Swennen sind sie und Panis bei der Partnerorganisation Bioversity International angestellt, die genetische Vielfalt in der Landwirtschaft erforscht und fördert, um die Lebensmittelversorgung besonders in armen Ländern zu sichern. Die Föderalregierung und die Welternährungsorganisation FAO unterstützen die Löwener Bananenforscher.

„Es geht darum, für die Bedürfnisse der Zukunft vorbereitet zu sein“, sagt Van den houwe. Die ganze Bandbreite an Bananensorten müsse viel besser genutzt werden. Ein aktuelles Projekt sucht zum Beispiel nach Varianten der wasserliebenden Banane, die Dürre besser standhalten können. Auch bei der Identifizierung oranger Sorten mit besonders viel Vitamin A haben die Löwener Wissenschaftler geholfen. Im Dienst der Vielfalt verschicken sie außerdem mehrmals pro Woche kostenfrei Sprösslinge in alle Welt.

Doch warum dominieren die Cavendish-Bananen so beharrlich europäische Supermarktregale? Das liegt nach Angaben der Branche unter anderem daran, dass sie den bis zu zweiwöchigen Schiffstransport gut überstehen. „Sie sind robust genug, um lange Transitzeiten (…) auszuhalten, sie reifen einheitlicher, halten sich länger und bieten eine gute Esserfahrung“, heißt es beim Bananenhändler Del Monte. Dole äußert sich ähnlich. Eine Edeka-Sprecherin erklärt: „Andere Sorten sind unter Gesichtspunkten der Haltbarkeit und Qualität weniger gut für den Import geeignet.“ Mini- und Kochbananen sowie rote Bananen habe man aber auch im Angebot.

Die Löwener Forscher hoffen indes auf mehr Auswahl auch in Europa. Dass ausgerechnet ihr Universitätsstädtchen die weltgrößte Bananensammlung beherbergt, hat übrigens historische Gründe: Belgien interessierte sich schon als Kolonialmacht im Kongo für Bananen. (dpa)