Luxemburger wählen ein neues Parlament

<p>Xavier Bettel spricht in einem Interview im Staatsministerium. Er ist seit Ende des Jahres 2013 Premierminister in Luxemburg und will nach der Parlamentswahl im Herbst 2023 gerne in eine dritte Amtszeit gehen.</p>
Xavier Bettel spricht in einem Interview im Staatsministerium. Er ist seit Ende des Jahres 2013 Premierminister in Luxemburg und will nach der Parlamentswahl im Herbst 2023 gerne in eine dritte Amtszeit gehen. | Foto: Harald Tittel/dpa

Im Großherzogtum Luxemburg wird an diesem Sonntag ein neues Parlament gewählt. Die rund 265.000 Wahlberechtigten, für die wie in Belgien Wahlpflicht besteht, entscheiden über 60 Sitze in der Abgeordnetenkammer.

Nach der jüngsten Umfrage könnte es knapp für eine Neuauflage der seit 2013 regierenden Dreier-Koalition von Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen reichen. Allerdings mit einer anderen Gewichtung: Anders als bei der Wahl in 2018 wären dann die Sozialdemokraten die stärksten im Bunde und nicht mehr die Liberalen, die seit Ende 2013 mit Xavier Bettel (50) den Premier stellen. Möglich ist aber auch ein Regierungsbündnis unter Beteiligung der Christlich-Sozialen Volkspartei (CSV), die mit dem Spitzenkandidaten Luc Frieden (60) ins Rennen geht. Sie schneidet laut Umfragen als stärkste Partei ab. Die CSV, die seit 1945 mit nur einer fünfjährigen Unterbrechung durchgehend in Luxemburg regierte, hatte nach der Wahl 2013 mit dem ehemaligen Premierminister und Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker keine Regierungsmehrheit gefunden – und ist seitdem in der Opposition.

„Das Wichtigste für die CSV ist wieder Regierungsbeteiligung zu haben. Alles andere kann verhandelt werden.“

Frieden, der als versierter früherer Finanzminister in Luxemburg bekannt ist, will seine Partei zurück in die Regierung bringen. Ob er dafür auch bereit wäre, trotz mehr Stimmen auf das Amt des Premierministers zu verzichten? „Das Wichtigste für die CSV ist wieder Regierungsbeteiligung zu haben. Alles andere kann verhandelt werden“, sagte der Jurist der Luxemburger Zeitung „L'essentiel“. Frieden setzt auf eine künftige Regierung aus zwei Parteien und will punkten mit mehr Sicherheit im öffentlichen Raum, mehr bezahlbaren Wohnungen und niedrigeren Steuern. Die Umfragewerte der Christsozialen gehen seit November 2021 nach oben. Premierminister Xavier Bettel hat angekündigt, er wolle seine bisherige Politik fortsetzen. Er setzt auf „Zukunftsthemen“ wie Wohnungsbau, Steuerentlastungen, Energiewende und moderne Bildung. Der Jurist ist in Luxemburg beliebt, laut Umfrage wünscht sich jeder dritte Befragte den 50-Jährigen auch künftig als Premierminister. Die derzeitige „Gambia“-Koalition - wie das Bündnis nach den Farben der Flagge des westafrikanischen Landes Rot, Blau (Liberale), Grün auch genannt wird – hat derzeit im Parlament eine knappe Mehrheit mit 31 von 60 Sitzen. Die CSV ist mit 21 Sitzen vertreten. Die rechte ADR hat 4 Abgeordnete, die Linken und die Piraten jeweils zwei.

Im zweitkleinsten Land der EU lag die Wahlbeteiligung 2018 bei rund 90 Prozent. Zudem sind rund 88.000 im Ausland ansässige Luxemburger wahlberechtigt. Für sie gilt aber keine Wahlpflicht. Die Wahllokale öffnen um 8 Uhr und schließen um 14 Uhr. Wegen des komplizierten Wahlverfahrens, bei dem auch Stimmen an einzelne Kandidaten unterschiedlicher Parteien vergeben werden können, werden die Ergebnisse erst am Abend erwartet.

HINTERGRUND

Die Spitzenkandidaten der vier wichtigsten Parteien:

Im Luxemburger Parlament hat zuletzt eine Dreierkoalition aus Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen das Sagen gehabt. Jetzt will die CSV wieder ans Ruder Die Spitzenkandidaten der vier größten Parteien:

Xavier Bettel: (Demokratische Partei/DP) – beliebt und zielstrebig: Der liberale Jurist ist seit Ende 2013 Premierminister. Zuvor war der Rechtsanwalt, der für seine umgängliche, offene Art bekannt ist, Bürgermeister der Stadt Luxemburg (2011 bis 2013). Bettels politische Karriere begann früh: Schon mit 15 Jahren trat er in die DP ein. Im Jahr 1999 zog er als jüngster Abgeordneter ins Parlament ein. Als Premier hat er etliche Reformen umgesetzt: die Trennung von Staat und Kirche, kostenlosen ÖPNV, erste Schritte zur Cannabis-Legalisierung und die Modernisierung der Verfassung. Als erster EU-Regierungschef ist Xavier Bettel (50) mit einem Mann verheiratet.

Luc Frieden (Christlich-Soziale Volkspartei/CSV) – zurück zur Politik: Der Rechtsanwalt ist in Luxemburg als ehemaliger versierter langjähriger Minister bekannt. Von 1998 bis 2013 war er im Kabinett des damaligen Premierministers Jean-Claude Juncker unter anderem zuständig für Justiz und Verteidigung, zuletzt für das Ressort Finanzen. Nach der Wahlniederlage der CSV in 2013 wechselte er in die Privatwirtschaft, zuerst nach London und ab 2016 wieder in Luxemburg. Zuletzt war Frieden (60) Präsident der luxemburgischen Handelskammer sowie Vorsitzender des europäischen Dachverbandes der Industrie und Handelskammern in Brüssel.

Paulette Lenert (Sozialdemokratin/LSAP) – bewährte Krisenmanagerin: Als Gesundheitsministerin hat sie Luxemburg maßgeblich durch die Corona-Pandemie gesteuert und sich als Krisenmanagerin bewährt. Das Ressort hatte sie Anfang 2020 nach einer Regierungsumbildung zusätzlich übernommen, zuvor war sie bereits unter anderem als Ministerin für Verbraucherschutz im Amt. Lenert hat ihre berufliche Karriere als Anwältin bei der Anwaltskammer in Luxemburg begonnen, später wurde sie als Richterin an das Verwaltungsgericht berufen. Anschließend war die 55-Jährige in Ministerien als Regierungsrätin tätig. Seit Anfang 2022 ist sie Vizepremierministerin.

Sam Tanson: (Grüne/Déi Gréng) – sachlich und klar:

Nach der Wahl 2018 schaffte sie den Sprung in die Regierung. Zunächst war sie für die Ressorts Wohnungsbau und Kultur im Amt, seit Oktober 2019 ist sie für Justiz und Kultur zuständig. Zuvor war die Juristin als Rechtsanwältin in Luxemburg tätig. Seit 2005 ist Tanson Mitglied bei den Grünen und hatte in der Partei verschiedene Ämter inne, unter anderem von 2010 bis 2015 als Parteipräsidentin. 2011 war sie erstmals in den Gemeinderat der Stadt Luxemburg gewählt worden, später wurde sie Schöffin für Finanzen und Mobilität. Ins Parlament rückte die heute 46-Jährige im April 2018. (dpa/sc)

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