„Chloe hat es schon wieder getan“: England und die „Matildas“ im Viertelfinale

<p>Da kannte der Jubel keine Grenzen mehr: Chloe Kelly verwandelte den entscheidenden Elfmeter gegen Nigeria.</p>
Da kannte der Jubel keine Grenzen mehr: Chloe Kelly verwandelte den entscheidenden Elfmeter gegen Nigeria. | Foto: Photo News

Als Chloe Kelly zu den Klängen der Schunkel-Hymne „Sweet Caroline“ über den Rasen tanzte, waren die Parallelen zum englischen EM-Märchen nicht mehr zu übersehen. „Chloe! Sie hat es schon wieder getan!“, schrieb die Daily Mail nach dem Elfmeter-Krimi gegen Nigeria, schließlich hatte Kelly schon im Finale 2022 gegen Deutschland für die Entscheidung gesorgt. Nun schoss sie den lange strauchelnden Favoriten mit einem wuchtigen letzten Schuss ins WM-Viertelfinale.

„Diese Mannschaft ist etwas ganz Besonderes. Wir haben es vor einem Jahr bei der EM geschafft, wir haben es im Finalissima geschafft, und jetzt machen wir einfach weiter“, sagte die umjubelte Kelly in der BBC. Beim Kontinental-Vergleich „Finalissima“ hatte England im April gegen Brasilien ebenfalls den Titel geholt, nun winkt der Hattrick.

Bis dahin war es vor 49.461 Fans im australischen Brisbane aber ein hartes Stück Arbeit: In 120 torlosen Minuten wackelte England gegen den Außenseiter gehörig. Nach der Roten Karte gegen Stürmerin Lauren James wegen eines überflüssigen Revanchefouls (87.) war Nigeria dem entscheidenden Tor sogar näher. Doch weil Englands Frauen ganz im Gegensatz zur Männer-Nationalmannschaft Elfmeterschießen beherrschen und dort mit 4:2 die Oberhand behielten, reichte es.

„Das ist erstaunlich. Uns wird so viel in den Weg geworfen – aber wir zeigen immer wieder, wozu wir fähig sind“, sagte Kelly, die erst in der 88. Minute eingewechselt worden war. Auch im EM-Finale gegen das DFB-Team vor einem Jahr war die Stürmerin von Manchester City als Joker auf das Feld gekommen – und tanzte wenig später zum Song „Sweet Caroline“, der seither eng mit dem EM-Triumph verbunden ist.

Der WM-Titel fehlt hingegen noch. Zwar stehen die Engländerinnen nun zum fünften Mal in Folge im Viertelfinale, den Gegner ermitteln am Dienstag (10 Uhr MESZ) Kolumbien und Jamaika. Bislang ist der dritte Platz 2015 in Kanada aber noch immer das beste Abschneiden.

Der schwache Auftritt gegen Nigeria sei ein „Warnschuss“, schrieb die BBC, die starke Vorrunde mit drei Siegen und 8:1 Toren dürfe ab jetzt keine große Rolle mehr spielen. Schließlich soll das unvermeidliche „Sweet Caroline“ in Australien noch öfter aus den Lautsprechern ertönen.

Wenig später in Sydney: Caitlin Foord genoss die Standing Ovations, drückte die zurückgekehrte Hoffnungsträgerin Sam Kerr ganz fest an sich – und das Accor Stadium bebte: Der so vage erscheinende australische WM-Traum wird immer greifbarer. Nach dem nie gefährdeten 2:0 (1:0) gegen Dänemark stieg die nächste große Party. Ob im Stadion oder bei den unzähligen großen Public Viewings lagen sich die Menschen in den Armen. Ein Land ist im Fußballfieber.

„Wenn es jemals einen Zeitpunkt gab, an dem man es ganz nach oben schaffen konnte, dann ist es dieses Turnier“, schrieb der Sydney Morning Herald: „Es ist wohl das beste Matildas-Team, das wir je gesehen haben, dazu ist es ein Turnier auf heimischem Boden.“ Der Heimvorteil scheint den Weltranglistenzehnten in der Tat zu beflügeln, die Mannschaft schwimmt auf einer Euphoriewelle.

„Wir spüren die Liebe der Fans“, sagte Torschützin Hayley Raso (70.): „Die Unterstützung der Nation ist absolut unglaublich. Das hat uns einen tollen Push gegeben.“ Und nun gibt es mit Kerr einen weiteren Zusatzboost. Der Jubel kannte schon bei der Einwechslung des Superstars in der 80. Minute keine Grenzen. „Es war wunderschön“, schwärmte Kerr. Nach ihrer Wadenverletzung wirkte die Angreiferin wieder fit, ließ bei einer Chance kurz vor Spielende ihre Klasse direkt mal aufblitzen.

Spätestens im Viertelfinale am Samstag (9.30 Uhr MEZ) gegen Frankreich oder Marokko kann Kerr wieder zur gefährlichen Waffe werden. Aber auch so funktionierte die Offensive gegen Dänemark mal wieder prächtig. Torschützin Foord (29.) trieb die Nordeuropäerinnen mit ihrem Tempo zur Verzweiflung, war schier an jeder gefährlichen Aktion beteiligt. Und hinten ließen die Matildas quasi nichts zu.

Derart souverän präsentierte sich bei der WM kaum ein Team. „Es ist offensichtlich: Wir haben den Traum von Titel“, sagte Kerr. Schon mit den Gedanken beim Finale? „Nein“, entgegnete Raso energisch, „wir müssen es Spiel für Spiel nehmen, ein Schritt nach dem anderen.“ Kein Wunder, denn schließlich war bislang bei Weltmeisterschaften für Australien immer spätestens im Viertelfinale Endstation. (sid/tf)

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