Friedensnobelpreisträger erhielt 2012 in Aachen die Karlsmedaille – Lambertz hielt Laudatio

<p>Dmitri Muratow spricht in Moskau mit Journalisten. Er erhält in diesem Jahr den Friedensnobelpreis und war 2012 in Aachen mit der Karlsmedaille für europäische Medien ausgezeichnet worden.</p>
Dmitri Muratow spricht in Moskau mit Journalisten. Er erhält in diesem Jahr den Friedensnobelpreis und war 2012 in Aachen mit der Karlsmedaille für europäische Medien ausgezeichnet worden. | Foto: Alexander Zemlianichenko/AP/dpa

International für Schlagzeilen sorgten immer wieder Enthüllungen der Zeitung aus der russischen Teilrepublik Tschetschenien im Nordkaukasus. So machte Muratow trotz Drohungen etwa Morde, Folter und andere Verbrechen unter Republikchef Ramsan Kadyrow öffentlich.

Dmitri Muratow, der am 30. Oktober seinen 60. Geburtstag feiert, ist auch in der Region kein Unbekannter: 2012 hatte er als Chefredakteur der „Nowaja Gaseta“ die Karlsmedaille für europäische Medien („Médaille Charlemagne pour les Médias Européens“) entgegengenommen. Mit dieser Medaille wird seit 2000 im Umfeld der Karlspreis-Feierlichkeiten eine europäische Persönlichkeit oder Institution ausgezeichnet, die sich auf dem Gebiet der Medien besonders um den Prozess der europäischen Einigung und um die Herausbildung einer europäischen Identität verdient gemacht hat.

Die Laudatio bei der Verleihung im Aachener Rathaus hielt seinerzeit der damalige Ministerpräsident und heutige Parlamentspräsident Karl-Heinz Lambertz (SP). „Das Spannungsfeld zwischen Regierenden und kritischem Journalismus besteht nicht nur in der Russischen Föderation sondern in allen Staaten und Gebietskörperschaften unserer Welt und ganz sicherlich auch in der kleinen Region mit Gesetzgebungshoheit auf der anderen Seite der deutsch-belgischen Grenze, wo ich Verantwortung trage“, sagte Karl-Heinz Lambertz damals bei seiner Rede, in der er auch über die bewegte europäische Geschichte und die wichtige Rolle der Grenzregionen sprach.

Damals würdigte der SP-Politiker die Arbeit der „Nowaja Gaseta“ unter sehr schwierigen Umständen: „Von Anfang an war die Marschrichtung der ‘Nowaja Gaseta’ klar. Man wollte nicht einfach nur ein weiteres konformes Massenblatt im bereits schon bestehenden konformen Blätterwald sein. Man wollte sich von den anderen Zeitungen abheben. Und dies geschah, indem man den Weg des investigativen Journalismus beschritt.“ Die Art von Zeitungen, wie man sie in Westeuropa kenne, deren zentraler Grundgedanke die Unabhängigkeit sei, sei in Russland die Ausnahme gewesen und geblieben. „Und dann kommt plötzlich diese damals noch recht unbekannte Zeitung daher und beschließt, entgegen allen seitens der öffentlichen Stellen aufgestellten aber ungeschriebenen Regeln, investigativ tätig zu werden und neutral und unabhängig zu berichten. Da sind natürlich ganz schnell einige Personen sehr nervös geworden, wurde doch plötzlich über deren Tun und Handeln öffentlich berichtet.“

Repressalien, Drangsalierungen und Mitarbeiter, die mit dem Leben bezahlen mussten.

Karl-Heinz Lambertz sprach von Repressalien und Drangsalierungen und nannte auch die Mitarbeiter, die ihre Arbeit bei dem Blatt mit ihrem Leben bezahlen mussten, darunter auch den von Anna Politkowskaja. „Sie alle haben für die Nowaja Gaseta gearbeitet und sind durch Verbrechen oder zumindest aus noch ungeklärter Ursache ums Leben gekommen.“ Die Zeitung und die Mitarbeiter ständen trotz allem, was geschehen ist, nach wie vor für eine unabhängige Berichterstattung. „Sie informieren die Menschen über aktuelle Geschehnisse in Russland und geben ihnen so die Möglichkeit, sich ein eigenes Bild zu machen, um sich dann, in einem weiteren Schritt, eine eigene Meinung zu bilden. Freie Meinungsbildung basiert auf unabhängigen Informationen. Ohne diese Freiheit, ohne diese Unabhängigkeit kann keine echte Demokratie entstehen, die diesen Namen wirklich verdient. Die regierungskonformen russischen Massenmedien engen die Pressefreiheit ein und verhindern somit eine freie Meinungsbildung“, so Karl-Heinz Lambertz im Jahr 2012. Seinerzeit sprach er von „ersten zarten Pflänzchen der Demokratie“, die in Russland wachsen, wie die damaligen Massenproteste deutlich gemacht hätten.

„Wir können leider aus der Ferne nicht die ‘schützende Hand’ über Sie halten, so gerne wir dies auch täten. Aber eines können wir auf jeden Fall machen: Wir können Sie und Ihre Arbeit aus der Distanz begleiten und auf Ungerechtigkeiten, die Ihnen und Ihren Mitarbeitern widerfahren, aufmerksam machen. Dies ist in der Vergangenheit schon geschehen und wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Sie können sich unserer Solidarität und Unterstützung sicher sein. Bitte richten Sie dies auch Ihren Mitarbeitern aus.

Die Karlsmedaille in diesem Jahr erhält der niederländische Journalist und Historiker Geert Mak, womit die integrative Arbeit des studierten Rechtswissenschaftlers und Soziologen als Publizist honoriert werde, hieß es. Die Laudatio bei der Preisverleihung am Freitagnachmittag (15. Oktober) im Aachener Rathaus hält der ehemalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. (sc)

Kommentare

Kommentar verfassen

0 Comment