Keine Lust auf Rechnerei: Deutschlands Handballer sind hungrig aufs EM-Halbfinale

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Christoph Steinert (links) steigt zum Wurf gegen Ungarns Zoltan Szita hoch. | Foto: Tom Weller/dpa

Die Nacht war kurz, der Hunger aufs Halbfinale trieb Deutschlands Handballer zeitig aus den Federn. „Es kamen alle mit einem Grinsen zum Frühstück“, berichtete Christoph Steinert am Dienstagvormittag. Die Euphorie und Zuversicht für das Matchball-Spiel gegen Kroatien sind gewaltig, schließlich lebt der Traum von der ersten Medaille seit acht Jahren.

„Wir haben die einzigartige, einmalige Möglichkeit beim Heimturnier ins Halbfinale einzuziehen. Alles andere interessiert mich wirklich nicht“, sagte Kapitän Johannes Golla angesichts einiger, teils verrückter Rechenspiele. So könnte sich Deutschland am Mittwoch (20.30 Uhr/ARD) im Hauptrunden-Finale womöglich sogar eine Niederlage erlauben.

„Darauf“, bekräftigte Kreisläufer Justus Fischer, „wollen wir uns keinesfalls verlassen“. Mathe, meinte auch Steinert, sei ohnehin nicht seine Stärke. „Wenn ich jetzt abgefragt werde, bin ich richtig schlecht“, sagte der Linkshänder lachend.

Fakt ist: Gewinnt die Mannschaft von Bundestrainer Alfred Gislason gegen die bereits ausgeschiedenen Kroaten, ist der erste Teilnahme an Medaillenspielen eines großen Turniers sicher. Höchstwahrscheinlich würde sogar ein Remis reichen. Und: Verlieren Ungarn (gegen Frankreich) und Österreich (gegen Island) ihre letzten Hauptrundenspiele, könnte Deutschland sich sogar eine Niederlage erlauben - und schon vor dem Hauptrunden-Showdown jubeln.

Von solchen Rechenspielen hält auch Gislason überhaupt nichts. Die kuriose Tatsache, dass den Kroaten eine Niederlage im Rennen ums Olympia-Ticket gar helfen könnte, wischte das DHB-Team ebenso energisch beiseite wie die Vermutung, dass der zweimalige Olympiasieger die Partie angesichts der Ausgangslage abschenkt.

„Das wird ein sehr gefährliches Spiel“, warnte Gislason nach dem erlösenden 35:28 gegen Ungarn: „Für uns geht es um alles. Die Kroaten können es nicht mehr ins Halbfinale schaffen, aber sie haben wie wir eine relativ junge Mannschaft mit drei, vier sehr abgezockten älteren Spielern, die alle weltklasse sind. Wie ich sie kenne, werden sie durchziehen.“ Der gegen Ungarn wegen eines Infekts fehlende Timo Kastening könnte ins Team zurückkehren, auch er erschien am Dienstag strahlend zum Frühstück.

Neben dem anvisierten Ziel Halbfinale wäre Deutschland beim Sprung unter die Top vier Europas bereits vorzeitig das Ticket für die WM 2025 sicher - auch die direkte Olympia-Qualifikation ist plötzlich ganz nah. Gegner im Kampf um das Endspiel wäre, auch das steht bereits fest, Weltmeister Dänemark.

Mut machte der Auftritt gegen Ungarn. Angestachelt von der Kritik nach dem Österreich-Spiel (22:22) und beflügelt von 20.000 frenetischen Fans gelang am Montagabend die bislang beste Turnierleistung. „Die Mannschaft hat die Reaktion gezeigt, die sie zeigen musste. Wir haben ein fantastisches Spiel gemacht“, resümierte Torhüter Andreas Wolff. Er habe „große Hoffnung“, dass es mit dem Halbfinale klappt. „Wenn wir so auftreten wie heute, dann haben wir sehr gute Chancen“, sagte Wolff. DHB-Sportvorstand Axel Kromer sprach von einem „Befreiungsschlag“.

Erleichtert wirkte das gesamte deutsche Team - und ließ keinen Zweifel daran, dass es noch lange nicht satt ist. „Wir sind zu Vielem imstande. Das hat man heute gesehen“, sagte der Magdeburger Philipp Weber: „Wenn wir 20.000 Verrückte im Rücken haben und unser Spiel für uns läuft, ist einiges möglich.“ Und der emotionale Leader Rune Dahmke versprach, erneut „Blut, Schweiß und Tränen für Deutschland, für unser Team, für den Erfolg“ geben zu wollen.

Dem wollte auch Gislason nicht widersprechen, der DHB-Coach forderte für Mittwoch aber die „gleiche Einstellung“ wie gegen Ungarn. Denn: „Wir haben noch nichts erreicht.“ Das soll sich am Mittwochabend ändern. (sid/calü)

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