Galant-Gate: Ministerin unter schwerem Beschuss

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Es waren die Grünen von Ecolo und Groen, die am Donnerstag im Kammerplenum nicht locker lassen wollten. Es schien, als hätten sie „Blut gerochen“, um das durchzusetzen, was ihnen vor einigen Monaten, als Galant ein erstes Mal (wegen einer umstrittenen Zusammenarbeit ihres Kabinetts mit einer Anwaltskanzlei) unter Beschuss geriet, noch verwehrt geblieben war. Im Nachmittag schien es Premierminister Charles Michel (MR) noch gelungen zu sein, die Mobilitätsministerin und Parteikollegin in seinen Windschatten zu setzen. Am Abend dann aber eine spektakuläre Wende: Die Grünen verlangten eine Rückkehr des Premiers ins Halbrund, weil sie plötzlich über neues belastendes Beweismaterial gegen Galant verfügten.

Aber der Reihe nach. Es war Laurent Ledoux, Chef des föderalen Mobilitätsministeriums, der diese Woche die Lunte gelegt hatte und seine Kündigung einreichte. „Galant verteidigt wirtschaftliche und private Interessen. Trotz aller Bemühungen stelle ich fest, dass ich nicht mehr mit der Ministerin und ihrem Kabinett zusammenarbeiten kann“, so Ledoux zur Begründung. In einem Interview mit der Zeitung „De Tijd“ sprach er sogar von „Gestapo-Methoden“.

„Ich tue jetzt nur das, was die Ministerin schon länger selbst hätte machen müssen: Verantwortung zeigen und zurücktreten“, so Ledoux am Donnerstag gegenüber dem Rundfunksender Bel RTL. „Die Situation war unerträglich geworden. Die Art und Weise, wie sie ihre Dossiers verwaltet, führt uns direkt an den Abgrund. Es musste ein starkes Zeichen gesetzt werden. Ich hoffe, dass es ihr hilft, endlich auf ihre Verwaltung zu hören. Ich zeige ihr den Weg.“

Verwaltungschef zog sich nicht auf leisen Sohlen zurück

Ausschlaggebend für das Tamtam waren vertrauliche Inspektionsberichte der EU-Kommission aus den Jahren 2011 und 2015. In diesen Dokumenten wird der Kontrolle der Sicherheit an den belgischen Flughäfen ein äußerst schlechtes Zeugnis ausgestellt. Ledoux behauptete, dass er am 1. Februar formell um mehr Personal und Mittel für die Ausführung der Kontrollen gebeten habe, die Ministerin und ihr Kabinett aber nicht auf ihn hören wollten. „Bereits im Jahr 2014 hatten wir den Personalmangel angeprangert“, so Ledoux. Damit wolle er aber nicht gesagt haben, dass dadurch die Anschläge am Airport in Zaventem hätten verhindert werden können. „Ich will ihr nicht die Verantwortung für die Attentate in die Schuhe schieben. Das wäre absurd.“

Jacqueline Galant bestritt, dass die Verwaltung von Ledoux einen Antrag gestellt habe. Sie bedauerte zudem, dass die Berichte der EU-Behörde an die Öffentlichkeit gelangt seien. Jetzt könne jeder erfahren, wo die Schwachstellen sind, meint sie. Ledoux seinerseits beteuerte, weder aus Rache noch aus persönlichen Gründen zu handeln.

Der Verwaltungschef war aber nicht gewillt, sich auf leisen Sohlen zurückzuziehen. Über die Grünen-Parteien Ecolo und Groen ließ er am Donnerstag neue Dokumente enthüllen, die belegen sollten, dass Galant sich – nach wiederholten Anfragen der Verwaltung – geweigert hatte, in die Sicherheit der Flughäfen zu investieren. Diese Unterlagen sollen zeigen, dass die Ministerin lügt und Ledoux bereits am 15. Dezember 2014 auf die Sicherheitsmängel hingewiesen und mehr Mittel beantragt hatte. Nach den Anschlägen von Paris (13. November), als die Regierung beschloss, 400 Millionen Euro für den Kampf gegen Terrorismus freizumachen, stellte er einen neuen Antrag. Seine Bitte, einen Teil dieses Budgets in die Flughafensicherheit zu investieren, schlug das Kabinett aus.

Bereits am Mittwoch schlossen die MR und Premier Michel die Ränge. In den Inspektionsberichten gehe es nicht um die Sicherheit selbst, sondern um die Kontrolle derselbigen, hieß es. Und dafür sei die Ministerin nicht zuständig, sondern die Verwaltung. Überdies seien die Berichte derart geheim, dass die Ministerin nicht einmal von ihrem Bestehen wusste. Nur einige Spitzenbeamte der Verwaltung hätten Zugang zu den Unterlagen.

Neue Infos: Grüne bestellten Premierminister zurück ins Kammerplenum

Am Donnerstagnachmittag dann wurde im Rahmen der aktuellen Fragestunde im Kammerplenum erwartet, dass die Opposition sich auf Galant einschießen würde, doch schaffte es Kammerpräsident Siegfried Bracke (N-VA) mit einem Hinhaltemanöver, die lästigen Fragen an die Adresse des Premiers hinauszuzögern und die Opposition mürbe zu machen, indem er stundenlanges Palaver über die Haushaltskontrolle vorzog. Die Opposition führte doch noch schweres Geschütz auf und forderte wiederholt den Rücktritt von Galant. Dem Regierungschef gelang es schließlich, den Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen: Die Beanstandungen zu den mutmaßlichen Verfehlungen der Mobilitätsministerin verwies er an den parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den Brüsseler Anschlägen. „Alles muss geklärt werden, es müssen die richtigen Lehren gezogen werden“, so Michel, der abermals beteuerte, dass das Kabinett von Galant den Rapport zu den Kontrollen der Flughafensicherheit nicht erhalten und die Regierung erst am Mittwoch in den Medien davon erfahren habe.

Damit schien die Luft vorerst raus: Der Stuhl von Galant hatte gewaltig gewackelt, war aber nicht gekippt. Doch das war die Rechnung ohne den Wirt gemacht, und der hieß Laurent Ledoux. Der zurückgetretene Topbeamte spielte den Grünen eine Mail zu, aus der hervorgehen sollte, dass Galant sehr wohl von den Inspektionsberichten wusste. Am 27. März hatte demnach eine Versammlung im Kabinett Galant stattgefunden, bei der es über die Ergebnisse der Sicherheitskontrollen ging. Groen beantragte die Rückkehr von Michel ins Plenum, um ihm erneut auf den Zahn zu fühlen. „Was der Premier erklärt hat, stimmt nicht. Wir gehen davon aus, dass er von Ministerin Galant falsch informiert wurde“, so der Groen-Abgeordnete Stefaan Van Hecke.
Galantgate war noch nicht abgelaufen. Kammerpräsident Bracke nahm am Abend Kontakt mit dem Kabinett des Premierministers auf, doch wie es im Parlament weitergehen sollte, war bei Redaktionsschluss um 22 Uhr völlig unklar. Die Position von Galant als Mitglied der Regierung Michel schien kaum noch zu halten, auch wenn ihr Kabinett „entschieden und formell“ bestritt, die Berichte der EU-Kommission zu besitzen.