Mercedes stürzt vor Hamilton-Heimspiel ab

Lewis Hamilton reiste fassungslos ab. | afp

„Das war das schlimmste Rennen, an das ich mich erinnere“, sagte der Weltmeister, der seine WM-Führung wieder an Ferrari-Star Sebastian Vettel verloren hat: „Wir können nicht einfach so die Punkte wegschmeißen.“

Beide Autos mit Defekten aus dem Rennen, das hatte es seit der Rückkehr der Silberpfeile in die Formel 1 vor acht Jahren überhaupt noch nie gegeben. Seit 2014 war Mercedes nicht einfach nur schneller als alle anderen, sie wirkten nahezu unfehlbar – für Irrtümer und Pannen war stets die Konkurrenz zuständig.

Dass nun die Technik streikte und obendrein die Strategen nicht zum ersten Mal in dieser Saison falsch lagen, rüttelt nachhaltig am Selbstbewusstsein.

„Für jeden von uns werden die kommenden Tage ziemlich schmerzhaft“, sagte Hamilton: „Wir hatten so viele Jahre eine so großartige Zuverlässigkeit. Aber jetzt müssen wir auch so einen Rückschlag mal wegstecken.“

Besonders schwierig dürfte das aufgrund der Höhe sein, aus der Mercedes am Sonntag zu Boden krachte. Eine Woche nach Hamiltons Sieg in Frankreich hatte die ganze Formel 1 von diesem Sonntag in der Steiermark nur eines erwartet: Einen Doppelsieg für Hamilton und seinen Teamkollegen Valtteri Bottas. Und den Start eines Mercedes-Alleingangs auf dem Weg zum nächsten WM-Titel.

„Die Leute sind vor dem Rennen zu uns gekommen und haben gesagt, dass es ein Spaziergang werden würde“, sagte auch Motorsportchef Toto Wolff: „Wir hatten die erste Startreihe inne, wir hatten das schnellste Auto.“ Doch alles kam ganz anders, und damit wurde das Gesamtbild dieser Saison noch mal geschärft: Die Königsklasse 2018 ist unberechenbar.

Am Sonntag steht also das dritte Rennen innerhalb von 15 Tagen an.

Seit Wochen waren zunehmend Vettel und Ferrari für ihre vermeintlich erhöhte Fehlbarkeit kritisiert worden. Stattdessen lag nun der Totalschaden bei Silber. Die Defekte an den Autos von Bottas (Hydraulikleck) und Hamilton (fehlender Benzindruck) waren nur eine Geschichte. Alle Chancen auf den Sieg vergab ja schon der Kommandostand, als er Hamilton während einer virtuellen Safety-Car-Phase nicht an die Box holte und so den Konkurrenten auslieferte.

Beinahe ging dabei unter, dass Mercedes auch in einem dritten Bereich nicht konkurrenzfähig war: Die Blasenbildung auf den Reifen war ein großes Problem und machte eine Aufholjagd unmöglich. „Wir hatten damit definitiv nicht gerechnet“, sagte Wolff.

Am Sonntag steht nun also das dritte Rennen innerhalb von 15 Tagen an. Le Castellet, Spielberg, Silverstone, theoretisch hätte das ein Hattrick für Hamilton werden können. Stattdessen ist nun Frustbewältigung gefragt – und Überzeugungsarbeit, denn der Engländer schäumte aufgrund des Taktikfehlers nicht nur im Auto, er war auch nach dem Rennen noch ratlos.

„Ich verstehe es nicht“, sagte er, „wir haben so viele Strategen, wie können wir so einen Fehler machen?“ Cheftaktiker James Vowles hatte schon während des Rennens offensiv alle Schuld auf sich genommen, Hamilton erteilte ihm später mit einer Umarmung quasi die Absolution: „Er ist immer und in jeder Situation brutal ehrlich mit sich selbst.“ Diese Eigenschaft wird Mercedes nun insgesamt dringend benötigen. (sid)