Löwen schmückt sich zum Advent

Wie ein riesiger Adventskalender sieht das Rathaus von Löwen aus. Die Fenster sind die Türchen. Und um alles noch geheimnisvoller zu machen, leuchten sie auch noch ständig in anderen Farben. Manch einer mag das vielleicht etwas kitschig finden, aber im Advent wirkt es einfach sehr stimmungsvoll. Das Rathaus könnte auch ein gigantisches Knusperhäuschen sein – allerdings ohne Hexe: Im Inneren finden jeden Nachmittag vorweihnachtliche Konzerte statt. Angst haben muss niemand.

Für die Löwener ist ihr überzuckertes Rathaus mit seinen 236 Statuen an der Außenfassade das schönste der Welt – und auch Besucher werden es sicher unter die Top Ten einreihen. Das Gebäude datiert aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, als das spätere Belgien den Mittelpunkt des märchenhaft reichen Herzogtums Burgund bildete.

In der Adventszeit wirkt Löwen wie ein einziges Weihnachtszimmer. Lichter in den Bäumen, Lichter an den Giebeln. Und aus allen Ecken duftet es verheißungsvoll. Zum Beispiel nach Tannen im „Wintertijd“ (Winterzeit)-Garten auf dem Grote Markt mit seinen Krippen-Arrangements, Rentieren, Schafen und – ja – Eisbären. Oder nach „Kerst Würst“ (Weihnachtswürsten) auf dem Weihnachtsmarkt mit seinen über 170 Ständen. Oder nach belgischen Waffeln, Maronen, Schokolade, Glühwein…

Löwen erinnert an eine Puppenstube, alles ist zierlich und verspielt, ganz besonders im Großen Beginenhof. Das ist eine Stadt in der Stadt, so verwinkelt und weitläufig, dass man sich fast darin verirren kann. Backsteinhaus reiht sich an Backsteinhaus, die schmalen gepflasterten Wege winden sich um Kapellen und Kräutergärten, katzbucklige Brücken führen über den Fluss Dijle, der gluckernd seine Schleifen durch die Stadt zieht. An einem Freitagabend im Dezember wird die ganze Anlage mit Tausenden Kerzen beleuchtet, dazu erklingt Glockenspiel.

Der Beginenhof – heute Weltkulturerbe – war im Mittelalter eine Stadt der Frauen. Nur sie lebten hier. Die Beginen bildeten damals die einzige Bewegung, die von Frauen für Frauen geschaffen und nicht von Männern beaufsichtigt wurde. Frauen aller gesellschaftlichen Schichten und Altersklassen hatten dort die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben in der Stadt zu führen und ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Dabei legten sie kein Gelübde ab, sondern durften die Gemeinschaft jederzeit wieder verlassen.

Obwohl der Beginenhof ein halbes Jahrtausend alt ist, hat er nichts Museales an sich. Denn heute leben Studenten und Professoren in den hutzeligen Häuschen. Studenten machen ein Drittel der Löwener Bevölkerung aus. Deshalb wirkt diese uralte Stadt, die schon lange vor Brüssel Bedeutung erlangte, so ungeheuer jung und lebendig.

Im Laufe seiner Geschichte hat das „belgische Oxford“ aber auch manche Katastrophe durchstehen müssen. 1914 wurde die berühmte Bibliothek in der alten Tuchhalle von deutschen Soldaten niedergebrannt. Die angekohlten Buchseiten wehten bis weit ins Umland. Heute erstrahlt die Tuchhalle wieder in altem Glanz, auch den wunderschönen, holzvertäfelten Lesesaal kann man besichtigen. Unbedingt empfehlenswert ist eine Turmbesteigung, denn zum einen gibt es hier eine interessante Ausstellung über die dramatische Geschichte des Gebäudes, und zum anderen kann man von oben die ganze Stadt überblicken. Auf dem Platz davor erstreckt sich ein weiterer Weihnachtsmarkt samt Eislaufbahn und Riesenrad. In Zelten werden Spezialitäten aus der Provence angeboten – Frankreich ist nicht weit.

In Löwen verbinden sich flämischer Wohlstand und französische Lebensart. Man nennt das hier burgundisch. Die Zahl der edlen Restaurants und Designerläden auf so engem Raum ist absolut erstaunlich. Dazu gibt es aber auch viele kleine niedliche Geschäfte, in denen man nach Herzenslust herumstöbern kann. So ist Löwen auch unter diesem Aspekt ein perfektes Ziel für ein Wochenende, an dem man einfach nur relaxen, ein bisschen weihnachtsshoppen und gut essen gehen will. Die 100.000-Einwohner-Stadt ist dabei auch bewundernswert polyglott: Neben ihrer niederländischen Muttersprache beherrschen die Löwener auch Französisch, hervorragend Englisch und wenn man Glück hat sogar Deutsch.

Perfektes Mitbringsel sind natürlich belgische Pralinen. In Löwen haben viele Chocolatiers ihren Sitz. Mit ihnen kann man noch bei jedem einzelnen Konfekt darüber diskutieren, ob die Mandelcreme eher mit schwarzer oder brauner Schokolade zu empfehlen sei und ob die Haselnuss-Creme fraiche mit einer Schicht hellen Nougats unterlegt sein sollte.

Auf keinen Fall versäumen sollte man die echt belgischen Pommes frites. Gerade im Winter schmecken die dampfend heißen Kartoffelstäbchen, goldgelb und mit einer Prise Salz bestreut, besonders gut. Richtige belgische Fritten werden in Rinderfett frittiert, und zwar zweimal – so lange, bis sie „singen“. Versierte Frittensieder schwören, dass sie am „Gesang“ der brutzelnden Fritten erkennen können, wann sie fertig sind. Verblüffend ist die Vielfalt der dazu angebotenen Soßen im „Königreich Fritannien“.

Übrigens: Die schöne deutsche Ortsbezeichnung Löwen hat nichts mit Raubkatzen zu tun. Sondern nur damit, dass Leuven – der Name der Stadt im niederländischsprachigen Original – eben genauso ausgesprochen wird: Löwen. (dpa)

Bis zum 5. Januar 2019 dreht sich in der Stadt alles um Weihnachten.