Wie mit Trüffeln Geld gemacht wird

Weiße Trüffel liegen auf der Trüffelmesse von Alba. Das Geschäft ist eine Goldgrube. | Annette Reuther/dpa

An seiner Nase kommt kein Trüffel vorbei. 7.000 Knollen pro Tag müssen den Riechtest bestehen. Paolo Stacchini ist so etwas wie einer der obersten Trüffel-Richter. In der Saison ist er quasi ständig im Einsatz. Stacchini kontrolliert seit 20 Jahren in der italienischen Stadt Alba auf der Trüffelmesse Unmengen der unterirdischen Pilze. Aus der Region im Piemont kommt eines der teuersten Lebensmittel der Welt: der weiße Trüffel. Und wer als echter „tuber magnatum pico“, so der Fachbegriff, in die Welt geschickt werden darf, muss neben dem Riechtest auch einen Seh- und Tasttest überstehen.

Es ist wahrlich ein Glück für die Region im Nordwesten Italiens.Denn das Geschäftist eine Goldgrube.

„Dieses Exemplar ist schlecht, das würden wir nicht verkaufen“, sagt Stacchini bei einer Vorlesung vor Messebesuchern und rümpft die Nase. Nur die guten bekommen sein Qualitätssiegel und werden zu saftigen Preisen verkauft. „Wir haben Glück gehabt, dass wir hier die richtigen klimatischen Bedingungen und die richtige Vegetation für den weißen Trüffel haben.“ Es ist wahrlich ein Glück für die Region im Nordwesten Italiens. Denn das Geschäft ist eine Goldgrube. Für Alba und die umliegende Gegend Langhe Roero ist neben dem Schokohersteller Ferrero die Gastronomie der größte Geldbringer. „Und Deutschland ist zusammen mit der Schweiz unser Hauptmarkt“, sagt Mauro Carbone, Chef des nationalen Trüffel-Studienzentrums und des Tourismusbüros. „Dieses Jahr lief wirklich großartig, es gibt viele und vor allem gute Trüffel“, sagt Carbone. Der weiße Trüffel liebt es feucht, zu nass darf es allerdings auch nicht sein. Letztes Jahr sah es hingegen düster aus: Einem trockenen Sommer folgte ein trockener Herbst. Und da bleiben die Pilze mickrig.

Und wenn es wenig Trüffel gibt, ziehen auch die Preise an. Letztes Jahr verkauften einige Händler das Kilo gar für 14.000 Euro. In diesem Jahr kommt der Feinschmecker da für wesentlich weniger Geld ans Glück. 100 Gramm kosteten zum Beispiel Mitte November 250 Euro. Der Preis variiert je nach Tag und Qualität und wird kontinuierlich auf einer Börse bekanntgegeben. Zum Spektakel gehört, dass jährlich ein Riesen-Trüffel versteigert wird. Dieses Jahr ergatterte ein Unternehmer aus Hongkong ein 880-Gramm-Exemplar für 85.000 Euro.

Ende September beginnt die Saison der gräulichen Klumpen. Ende Januar ist Schluss. In dieser Zeit zieht auch Filippo Costa wieder seine Gummistiefel an und streift mit seinem Hund Lola durch die Wälder. Er ist einer von 4.000 zertifizierten Trüffelsuchern in der Region. Und deren Job läuft nach einem bestimmten Ritual ab: Am besten macht man sich nachts auf den Weg. Dann sieht einen die Konkurrenz nicht und macht einem den Trüffelplatz nicht streitig. Außerdem ist der Hund weniger von Geräuschen und Licht abgelenkt. Mit Schweinen sucht hier niemand, die kann man schlechter dressieren. Und zu hoch ist die Gefahr, dass sie am Ende das kostbare Gut selbst verschlingen. Mit dem Hund spricht Costa nur piemontesisch. Und es sollte ein weißer Hund sein, damit man ihm im Dunklen besser folgen kann und die Taschenlampe so wenig wie möglich benutzen muss, erklärt Costa.

Es sei ein bisschen wie eine Droge, sagt er. „Wenn man einmal angefangen hat, kann man nicht mehr aufhören.“ Schon als Kind wühlte er mit seinem Vater unter Bäumen nach den grauen Diamanten. Sein Sohn ist auch schon auf den Geschmack gekommen. Frauen hingegen sind selten, „ich kenne vielleicht ein zwei, aber die suchen schwarze Trüffel“, sagt Costa.

Der weiße Trüffel ist im Gegensatz zum schwarzen ein sehr sensibler Gefährte. Er lässt sich nicht züchten und wächst nur unter bestimmten Bäumen. Er mag nicht aufbewahrt werden und verliert schnell seinen charakteristischen Geruch. Beim Einfrieren stirbt er den Aroma-Tod. All das macht ihn so teuer. Das Geschäft funktioniert wie bei anderen Luxusprodukten: Verknappung ist das Zauberwort. Nur ist es beim weißen Trüffel im Gegensatz zu – beispielsweise einem Ferrari – eine natürliche statt künstliche Verknappung. Wenn es keine mehr gebe, könne man auch als Millionär keine mehr bekommen, sagt Alessandro Bonino. Er leitet das historische Trüffelgeschäft „Tartufi Morra“ in Alba. Hier werden die Knollen gewaschen, gewogen, in Holzschachteln gesteckt und so schnell wie möglich in die Welt verschickt.

Nur wenige Tage hältsich der weiße Trüffel. Deshalb muss es fix mit der Spedition gehen.

Singapur, Deutschland, Hongkong, USA – der Hunger nach Trüffel ist trotz der Mondpreise kaum stillbar. Nur wenige Tage hält sich der weiße Trüffel. Deshalb muss es fix mit der Spedition gehen. Bonino verkauft zwar wie mittlerweile jeder Supermarkt in Deutschland auch Trüffelöle, -pasten und -nudeln. Aber die basieren auf künstlichen Aromastoffen und haben im Grunde nichts mit einem echten Trüffel zu tun. In dem ganzen Feinschmeckerhype hatte wohl der Mann die cleverste Marketingidee, der in Alba als „Trüffel-König“ verehrt wird. Der Gründer des Geschäfts, Giacomo Morra (1886-1963), rief in den Dreißigerjahren nicht nur die Messe ins Leben, die heute Hunderttausende in die Region lockt. Er verschickte auch jedes Jahr einen Riesentrüffel an Prominente. So bekam nicht nur Marilyn Monroe eine Mega-Knolle. Auch Päpste, der britische Kriegspremier Winston Churchill und US-Präsidenten wie Harry Truman bekamen geruchsintensive Post aus Alba. Der Alba-Trüffel wurde weltweit bekannt. Nur der neue US-Präsident Donald Trump ist noch nicht in den Genuss gekommen. „Der mag lieber Diet Coke“, sagt Bonino. (dpa)