NATO startet größtes Manöver seit Kaltem Krieg – Training für den Bündnisfall

Rund 50.000 Soldaten, 10.000 Fahrzeuge sowie Dutzende Kampfflugzeuge und Schiffe: Die NATO beginnt am Donnerstag das größte Manöver seit dem Ende des Kalten Krieges. In Norwegen wird dann bis in den November hinein erstmals seit Langem wieder groß für den sogenannten „Bündnisfall“ trainiert. Dieser könnte ausgerufen werden, wenn einer oder mehrere der 29 Mitgliedstaaten von einem Gegner angegriffen würden. In der Folge müssten dann die anderen Alliierten gemeinsam Beistand leisten.

„Um in einer unberechenbaren Welt Sicherheit zu garantieren, muss das Bündnis stark bleiben. Deswegen brauchen wir Training“, erklärte Generalsekretär Jens Stoltenberg jüngst an Bord eines US-amerikanischen Flugzeugträgers, der an dem Manöver „Trident Juncture“ (Dreizack-Verbindung) teilnehmen wird. Zudem gehe es darum, mit dem „fiktiven, aber realistischem Szenario“ mögliche Gegner abzuschrecken.

Vor allem östliche Bündnispartner drängen darauf, sich wieder besser für den Bündnisfall zu wappnen.

„Trident Juncture wird die klare Botschaft aussenden, dass wir bereit sind, alle Bündnispartner gegen jegliche Gefahr zu verteidigen“, so Stoltenberg. Um glaubhaft abschrecken zu können, müsse man die Stärke des Bündnisses zeigen.

Dass sich diese Botschaft vorrangig an Russland richtet, ist klar – auch wenn die politisch Verantwortlichen es selten explizit aussprechen. Für den sogenannten Bündnisfall war nach dem Ende des Kalten Krieges kaum noch intensiv geübt worden. Dann kam allerdings das Jahr 2014, in dem Russland sich die ukrainische Halbinsel Krim einverleibte und massiv mit der Unterstützung prorussischer Separatisten begann.

Seitdem drängen vor allem östliche Bündnispartner darauf, sich wieder besser für den Bündnisfall zu wappnen. Nach den Ereignissen in der Ukraine könne nicht mehr ausgeschlossen werden, dass Russland auch in einem NATO-Land für Unfrieden oder sogar Krieg sorgen könnte. Russland sieht die Lage dagegen genau andersherum. Das geplante NATO-Manöver trage zur Destabilisierung in der Region bei, erklärte jüngst Außenamtssprecherin Maria Sacharowa. Ohne Details zu nennen kündigte sie zudem an, dass Russland „die notwendigen Maßnahmen“ ergreifen werde, um die eigene Sicherheit zu gewährleisten. Bei der NATO wird hingegen darauf verwiesen, dass auch Russland zuletzt wieder intensiv für großformatige Konflikte trainiert hatte. An dem jüngsten Großmanöver Wostok (Osten) sollen nach Angaben aus Moskau knapp 30.000 Soldaten teilgenommen haben. Die Übung sei enorm groß gewesen, selbst wenn die Zahl vermutlich völlig übertrieben sei, heißt es in Brüssel.

Die letzten NATO-Manöver, die größer waren als die bevorstehende Ausgabe von „Trident Juncture“, fanden nach Angaben von Diplomaten vor der Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 statt. Damals gab es unter anderem noch die Manöverreihe „Return of Forces to Germany“ (Rückkehr von Streitkräften nach Deutschland). An ihr waren bis zu 125.000 Soldaten beteiligt. Als das bislang größte NATO-Manöver nach dem Ende des Kalten Krieges gilt die Übung „Strong Resolve“ im Jahr 2002. Bei ihr waren rund 40.000 Soldaten im Einsatz. In der ersten Runde des Manövers werden nach Bündnisangaben von Ländern wie Deutschland, Italien und Großbritannien gebildete „südliche Kräfte“ einen Angriff von „nördlichen Kräften“ abwehren. Letztere sollen unter anderem aus Truppen der USA, Kanadas und Norwegens bestehen. In der zweiten Runde sieht das Szenario dann einen Gegenangriff der „südlichen Kräfte“ vor. (dpa)