Franziskus und sein „Annus Horribilis“

Die Post für den Papst ist schon da. Da schreibt Johannes aus Deutschland: Er wünsche sich „Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit“. Und Lina meint: „Pfarrer sollten heiraten dürfen, auch Frauen sollten Pfarrer werden.“ Die jungen Leute haben viele Wünsche an die katholische Kirche. Aber es gilt jetzt schon als sicher, dass viele davon nicht in Erfüllung gehen werden. Am Mittwoch strömen die Bischöfe der Welt nach Rom, um bei einer Synode über die Kirche und die Jugend zu diskutieren. Drei Wochen lang soll es um die Probleme der jungen Leute und die „Erneuerung der Kirche“ gehen.

Der Missbrauch ist zur Waffe in den Händen der Streitparteien geworden.

Doch die Synode wird von einem anderen Thema überschattet. Der Missbrauchsskandal ist wieder voll aufgebrochen. Und im Auge des Sturms steht dieses Mal der Pontifex selbst. Anstoß waren die Vorwürfe des konservativen Ex-Vatikanbotschafters Carlo Maria Viganò, der Franziskus Vertuschung vorwirft und ihn zum Rücktritt aufforderte. Dabei geht es um den ehemaligen US-Kardinal Theodore McCarrick, der Priesteranwärter missbraucht haben soll. Die noch von Benedikt XVI. eingeleiteten Sanktionen gegen McCarrick habe Franziskus wieder rückgängig gemacht, behauptet Viganò.

„In der katholischen Kirche herrscht Bürgerkrieg. Und der Missbrauch ist zur Waffe in den Händen der Streitparteien geworden“, schreibt Benjamin Leven im katholischen Fachblatt „Herder Korrespondenz“. Auf der einen Seite instrumentalisierten Franziskus‘ konservative Gegner den Missbrauchsskandal, um den Argentinier zu schwächen. Dessen Unterstützer hingegen versuchten damit, ihre Anliegen wie die Abschaffung des Zölibats und die Weihung von Frauen als Priester voranzutreiben. Denn einige werten die Tatsache, dass Priester nicht heiraten dürfen und dass in der Kirche Frauen fehlen, als Gründe für Missbrauchsfälle. Die Konservativen sehen dagegen einen Zusammenhang zwischen der „Sünde Homosexualität“ und Pädophilie. „2018 wird als Annus Horribilis in die Geschichte des Franziskus-Pontifikats eingehen“, so Leven. Ein schreckliches Jahr also.

Zeit also für Franziskus, seine Schäfchen wieder hinter sich zu versammeln. Das Problem immerhin hat er erkannt. Bei seiner Reise ins Baltikum räumte er jedenfalls ein, dass die Sexskandale die jungen Menschen von der Kirche abschreckten.

Aus Deutschland gibt es auch den Wunsch, bei der Synode den Missbrauch aufzuarbeiten. „Wir deutschen Bischöfe werden versuchen, das Thema dort auch zu platzieren, (…) dafür werden wir sorgen. Es gehört in das Thema der Jugendarbeit hinein, das ist ganz klar“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx. Neben Marx werden die Bischöfe aus Passau, Münster und Osnabrück in Rom dabei sein.

Wird der Missbrauchsskandal die eigentliche Agenda also torpedieren, die Synode gar behindern? „Ich sehe kein Hindernis“, sagt der Generalsekretär der Synode, Kardinal Lorenzo Baldisseri. Die Synode sieht er als Chance, Jugendlichen und auch Erwachsenen klar zu machen, was die Kirche wirklich sei. „Dass die Kirche nicht von denjenigen repräsentiert wird, die Fehler machen.“ Und di e jungen Leute seien offen dafür, „die menschliche Zerbrechlichkeit zu verstehen“.

Die Synoden-Oberen in Rom werden nicht müde, daran zu erinnern, dass das Treffen erstmals von Jugendlichen vorbereitet wurde.

Doch schon vor Beginn wird Kritik daran laut, dass viel zu wenige junge Leute Teil der dreiwöchigen Veranstaltung mit dem 81-jährigen Papst sein werden. „Ja, es ist ein Manko, dass wir mehr über sie sprechen, als mit ihnen“, gab auch unlängst der Passauer Bischof Stefan Oster zu. Er verwies aber auf die sogenannten Auditoris, Gasthörer aus aller Welt, von denen 34 zwischen 18 und 29 Jahre alt sind. Die Synode gibt es auch auf Facebook, Twitter und Instagram – da sollen sich die jungen Leute auch beteiligen.

Die Synoden-Oberen in Rom werden außerdem nicht müde, daran zu erinnern, dass das Treffen erstmals von Jugendlichen vorbereitet wurde: Dazu hatte Franziskus im Frühjahr Hunderte in den Vatikan eingeladen. Sie wollen, dass die Bischöfe über die Rolle der Frau diskutieren – oder über noch kontroversere Themen wie Homosexualität, bei denen junge Leute längst keine Tabus mehr kennen. (dpa)