Brexit-Unterhändler vor atemloser Schlussetappe

Die britische Premierministerin Theresa May nach dem Gipfel in Salzburg. | afp

Beim Gipfel in Salzburg erwogen die EU-Staats- und Regierungschefs zwar mehr oder weniger öffentlich, den Unterhändlern etwas mehr Zeit zu geben und die Frist bis zu einem Sondergipfel Mitte November auszudehnen. Denn inhaltlich sind die EU und Großbritannien nach wie vor bei wichtigen Punkten weit voneinander entfernt. Doch dann entschieden sich die EU-Staaten, den Zeitdruck aufrecht zu erhalten.

Wie ist inzwischen der Stand der Dinge?

Nach dem Brexit-Votum vom Juni 2016 reichte die britische Regierung am 29. März 2017 offiziell die Scheidung von der EU ein. Die Mitgliedschaft endet genau zwei Jahre später: am 29. März 2019. Aus der Trennung nach mehr als 40 Jahren ergeben sich aber viele Fragen, die in einem Austrittsvertrag geregelt werden sollen. Eckpunkte vereinbarten beide Seiten schon im Dezember 2017, unter anderem zu den Rechten der rund drei Millionen EU-Bürger in Großbritannien und zu britischen Abschlusszahlungen von rund 40 Milliarden Euro. Später gelang auch die Einigung auf eine Übergangsfrist bis Ende 2020. Damit würde sich am Brexit-Tag erstmal fast nichts ändern.

Und wo liegt dann das Problem?

Für eine entscheidende Frage gibt es bisher nur eine Scheinlösung: Wie lässt sich eine „feste Grenze“ zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland vermeiden? Nach bitteren Jahrzehnten mit Terror und Gewalt sind beide Inselteile seit dem Karfreitagsabkommen 1998 zusammengewachsen und sollen keinesfalls erneut geteilt werden. Andererseits entsteht mit dem Brexit nunmal eine neue EU-Außengrenze, die gegen ungeregelte Einfuhren oder Zuwanderung geschützt werden soll. EU und Großbritannien bekennen sich zwar beide zum Ziel: keine feste Grenze. Doch bei den Lösungswegen reden sie aneinander vorbei.

Was heißt das?

Großbritannien will durch enge Handelsbeziehungen und eine besondere Zollpartnerschaft mit der EU nach dem Brexit Grenzkontrollen vermeiden – nicht nur, aber eben auch und besonders in Irland. Die EU lehnt die von London vorgeschlagenen Modelle jedoch ab. Deshalb verlangt Brüssel eine Garantie, dass es keine Grenzkontrollen geben wird – auch für den Fall, dass keine andere Lösung gelingt. Dann möchte die EU Nordirland faktisch weiter wie einen Teil der Zollunion behandeln. Großbritannien will das nicht, weil sonst Kontrollen zwischen Nordirland und dem Rest des Königreichs eingeführt werden müssten. Eine faktische Grenze in der Irischen See werde man niemals akzeptieren, sagt May. Die EU droht ihrerseits: Ohne praktikable Lösung werde es kein Austrittsabkommen geben – und damit auch keine Übergangsfrist, sondern einen harten Bruch Ende März 2019.

Welche Lösungswege sind denkbar?

EU-Unterhändler Michel Barnier sagte diese Woche, man sei zur Nachbesserung des eigenen Vorschlags bereit und arbeite schon daran. Seine Andeutungen laufen darauf hinaus, dass die Kontrollen zwischen Nordirland und dem übrigen Königreich auf das Allernötigste beschränkt und teils ins Hinterland verlegt werden. Von einer Grenze in der Irischen See könne somit keine Rede sein, versichern auch EU-Diplomaten. Die Botschaft lautet: Alles halb so schlimm, die britische Regierung muss sich nur einen Ruck geben.

Kann sich Großbritannien darauf einlassen?

May sagt Nein, kündigte aber in Salzburg ihrerseits einen neuen Vorschlag an. Wie der aussehen soll und ob die EU damit zufrieden wäre, ist unklar. Optimisten würden sagen: Zumindest scheint sich etwas zu bewegen.

Hat der Salzburg-Gipfel einen Ausweg aus der Sackgasse gezeigt?

Nein – aber das war auch nicht zu erwarten. Grund ist auch die britische Innenpolitik. May kämpft nicht nur mit Widerstand der EU gegen ihre Brexit-Pläne, sondern auch mit einem Aufstand in ihrer konservativen Regierungspartei. Nun muss sie erst einmal einen Parteitag Anfang Oktober überstehen. Dann, so hofft zumindest die EU-Seite, ergeben sich vielleicht neue politische Spielräume. (dpa)