Auf in die nächste Schicksalswahl

Der leere Plenarsaal des hessischen Landtags in Wiesbaden. Am Sonntag in einer Woche wird entschieden, ob die schwarz-grüne Landesregierung an der Macht bleibt. Doch es geht noch um viel mehr. So viel bundespolitische Aufmerksamkeit hat eine Wahl in Hessen selten erfahren. | Arne Dedert/dpa

Bei der Abstimmung am 28. Oktober droht Union und SPD nach der Bayern-Wahl der nächste kräftige Dämpfer. Die großen Parteien stehen in den Umfragen für Hessen schlecht da. Je nachdem, wie massiv die Verluste werden, könnte dies die Parteispitzen in große Bedrängnis bringen. Dann drohen neue Personaldebatten um die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel und SPD-Chefin Andrea Nahles – nach der Wahl in Bayern wurden sie weitgehend unter der Decke gehalten.

Die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen hat sich in den vergangenen fünf Jahren von einem Experiment zu einem stabilen Bündnis gemausert. Beide Partner würden gern miteinander weitermachen. Nach der jüngsten Umfrage könnte es eine Zitterpartie bis zum Schluss werden – getragen von dem anhaltenden Höhenflug der Grünen, die zur zweitstärksten Kraft im Land aufrückten. Womöglich müsste die FDP mit ins Boot geholt werden, die Liberalen in Hessen zeigen sich offen für ein Jamaika-Bündnis. Die hessische CDU sackte in Umfragen zuletzt empfindlich ab – eine mögliche Folge auch der wochenlangen Querelen im Bund. Mit 26 Prozent liegen die Christdemokraten laut ZDF-Politbarometer derzeit deutlich hinter dem Ergebnis der Landtagswahl 2013 (38,3 Prozent). Viele machen für die Verluste Kanzlerin Merkel und die Streitigkeiten in der GroKo zumindest mitverantwortlich.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier lässt dagegen gern durchblicken, wie eng sein Verhältnis zur Parteichefin ist. „Ich bin nahezu täglich mit der Kanzlerin im Gespräch“, versicherte der CDU-Vize zuletzt beim Ringen um den Diesel-Kompromiss. Diese Treue könnte Bouffier von Merkel-kritischen Wählern übel genommen werden.

Ein Machtverlust der hessischen CDU würde auch Kanzlerin Merkel empfindlich treffen.

Allerdings ist es undenkbar, dass Hessens Regierungschef seinen Kurs ändert. Auch ihm dürfte präsent sein, wie die rheinland-pfälzische CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner kurz vor der Landtagswahl im Jahr 2016 einen Plan „A2“ vorlegte, um sich von Merkels umstrittener Flüchtlingspolitik abzugrenzen. Ein Manöver, das sie womöglich den Sieg kostete. Ein Machtverlust der hessischen CDU würde allerdings auch Merkel empfindlich treffen. Anfang Dezember will sie sich auf einem Parteitag zur Wiederwahl als Parteivorsitzende stellen. Nicht ausgeschlossen wird in der CDU, dass sie dies überdenkt, sollte Bouffier die Staatskanzlei nicht verteidigen können. Die hessische SPD steht nach der jüngsten Umfrage mit 20 Prozent zwar besser da als im Bund, liegt aber dennoch deutlich hinter der CDU und rutschte auf Platz drei im Parteienranking ab. Für Parteichef und Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel geht es um extrem viel: Der SPD-Vize tritt bereits zum dritten Mal an, um Ministerpräsident zu werden. Wird der 49-Jährige bei einem weiteren Scheitern erneut Oppositionsführer? Das ist schwer vorstellbar. Ein Ministeramt in einer Großen Koalition schließt Schäfer-Gümbel trotz persönlicher Spannungen mit Bouffier nicht gänzlich aus. Ob mit der zerstrittenen GroKo in Berlin und dem sinkenden Vertrauen der Bürger in die großen Volksparteien ein Bündnis zwischen SPD und CDU in Hessen innerparteilich und nach außen vertretbar ist, scheint jedoch mehr als offen.

Im Schatten der Bayern-Wahl war es für die Wahlkämpfer zwischen Kassel und Darmstadt nicht immer leicht, mit hessischen Themen durchzudringen. Zu übermächtig ist derzeit die Bundespolitik, aber auch die Frage, wie man mit der AfD umgehen sollte. Laut Umfragen werden die Rechtspopulisten voraussichtlich mit einem zweistelligen Ergebnis in den Landtag einziehen – und dann in allen Parlamenten auf Bundes- und Landesebene vertreten sein. Der Umgang mit der AfD war bei den im Wiesbadener Landtag vertretenen Parteien vor der Wahl sehr unterschiedlich. Teils wurde die Alternative für Deutschland nahezu totgeschwiegen. Zuletzt wurde der Ton schärfer. Bouffier nannte die Partei unter anderem einen „Weg in den Extremismus“. (dpa)