100 Jahre Weimarer Republik: Hörte Hitler Eberts Rede?

<p>Hoffentlich steht da in der Masse kein orientierungsloser Frustrierter mit fragwürdigen politischen Ambitionen.</p>
Hoffentlich steht da in der Masse kein orientierungsloser Frustrierter mit fragwürdigen politischen Ambitionen. | Photo News

Schön, aber was interessiert das uns in Ostbelgien? Schließlich wurden wir vor 100 Jahren Belgier. Nun, nicht ganz. Während die Nationalversammlung in Weimar dem Reich eine Verfassung gab, brütete man in Paris über einer Friedensordnung für Europa, nach deren Abschluss unser Gebiet an Belgien fiel. Friedrich Ebert sprach also im fernen Berlin auch für die Menschen in unserem Gebiet, am anderen Ende des Reiches, als er insbesondere die Frauen begrüßte, die zum ersten Mal in Deutschland wählen, und gewählt werden durften. Er stellte fest: „Das furchtbare Unglück des Krieges für ganz Europa kann nur wieder gutgemacht werden durch Handinhandgehen der Völker“.

Im weiteren Verlauf seiner Rede sprach Ebert aber auch von der „Vergewaltigung unseres Volkes“ und von der Hoffnung, bald die Vereinigung mit „Deutsch-Österreich“ mit dem Mutterland“ feiern zu dürfen oder von der Notwendigkeit, dass Stämme und Dialekte zu „einer Nation und einer Sprache zusammenklingen“ müssten: Gift für unbedarfte Ohren!

Vielleicht hat in München ein gewisser Adolf Hitler, der damals noch als Sodatenrat ein Mitläufer der Bolschewiken war, Eberts Worte irgendwann im aufkommenden Zeitalter des Radios gehört oder gelesen. Dass er der Weimarer Republik gerade einmal 14 Jahre später den Garaus machen sollte, konnte Ebert, konnte damals niemand ahnen.

Ebert rügte Unternehmer, die, verwöhnt von „hohen sicheren Gewinnen“, verlernt hätten, die „notwendige Initiative zu ergreifen“. Er mahnte, es dürfe keinen Raum mehr geben „für Privatmonopole und mühelosen Kapitalprofit.“

Abgesehen von demPathos und der Sprache Eberts, kommt das alles uns verdammt zeitgenössisch vor. Auch heute noch, 100 Jahre nach Eberts immer wieder von Applaus unterbrochener Rede, kämpfen Frauen um Gleichberechtigung, immer noch gibt es mühelosen Kapitalgewinn. Und man würde sich wünschen, dass in Peking, im Kreml, im Weißen Haus und anderswo die Richtigen den Satz hören würden, wonach man „die Wandlung vom Imperialismus zum Idealismus, von der Weltmacht zur geistigen Größe“ vollziehen müsse.

Was man sich sicher nicht wünschen würde, ist, dass irgendwo in der Masse der Gelbwesten oder der Studentenproteste, ein Frustrierter ohne klare politische Orientierung nur den Aufruf zu nationalistischem Denken und Handeln hören würde. Und dass sich die Geschichte wiederholt.

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