Von der Römerzeit zu „Game of Thrones"



Wenn Zoran Debelic zum Pinsel greift, dann macht er das am liebsten an der frischen Luft. Vor seiner Galerie mitten in der Altstadt von Zadar hat er seine Staffelei aufgebaut, darauf steht eine Leinwand. Mit einem dünnen Pinsel tupft er vorsichtig hier und da etwas Acrylfarbe auf. Ab und an bleiben Passanten stehen und schauen ihm zu.

„Die Leute sehen das Bild immer als Unterwasser-Kathedrale“, erzählt Debelic. Das liege wohl an dem strahlenförmigen Lichteinfall, der viel Raum auf der Leinwand einnimmt. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass der Maler mit dem Rücken zu einer monumentalen Kirche sitzt: dem im frühen 9. Jahrhundert erbauten Gotteshaus Sv. Donat, eines der beliebtesten Fotomotive der einstigen Hauptstadt Dalmatiens an der kroatischen Adria.

Die historische Umgebung interessiert den Künstler allenfalls am Rande. „Ich lebe im Hier und Jetzt und genieße den Moment“, sagt er. Dabei sitzt er mitten in der Antike: Seine Galerie liegt am einst größten römischen Hauptplatz in Kroatien. Von dem etwa fußballfeldgroßen Forum Romanum ist allerdings nicht allzu viel übrig geblieben: Einige niedrige Mauerstreifen und Bruchstücke von Säulen dienen heute vor allem als Kletterparcours für Kinder oder Ruheplätze für besichtigungsmüde Touristen.

Wer sich in Debelics Bild versenkt und entspannt, taucht nicht nur optisch in eine andere Welt ein, sondern auch akustisch. Denn der Wind trägt immer wieder sphärische Klänge vom nahen Meeresufer herüber. Als würde ein Riese ruhig auf einer gigantischen Panflöte blasen. Die tiefen, langgezogenen Töne stammen von der 2005 errichteten Meeresorgel, erklärt Stadtführerin Vlatka Pehar Matic. „Ziel war, diesen Teil der Uferpromenade zu beleben.“ Die Altstadt von Zadar liegt auf einer Landzunge, deren Nordwestspitze vor dem Umbau recht trostlos gewesen sei. Inzwischen drängen sich Besucher auch abends noch auf den ins Meer ragenden Stufen der Orgel. Sie schauen dem Sonnenuntergang zu und lauschen den ungewöhnlichen Klängen. Durch 35 Röhren in der Kaimauer, an deren Ende Orgelpfeifen sitzen, fließt Meerwasser. Das erzeugt die Töne, mal mehr, mal weniger laut, es hängt von der Brandung ab und ob ein Schiff vorbeifährt. „Wenn starker Wind herrscht, ist die Musik sogar über die Bucht zu hören“, sagt Matic.

Wie viele andere Städte an der kroatischen Adria hat Zadar eine wechselvolle Geschichte. Von den Griechen gegründet, vom 2. Jahrhundert vor Christus bis zum 6. Jahrhundert in römischer Hand, bis zum 11. Jahrhundert unter byzantinischer Herrschaft. Dann von den Venezianern erobert. Später zeitweise von Österreich, Frankreich und Italien beherrscht, im Zweiten Weltkrieg fast vollständig von den Alliierten zerstört.

Sichtbare Spuren quer durch die Jahrhunderte finden sich auch im etwa 160 Kilometer südlich gelegenen Split. Auch dort kamen nach den Griechen die Römer: Um 300 nach Christus machte sich Kaiser Diokletian an den Bau eines Palastes – als Altersruhesitz. Heute ist dieses einst in sich geschlossene Gebäudeensemble Herzstück der Altstadt und Unesco-Welterbestätte. „Aus dem klassischen römischen Militärlager wuchs im 7. Jahrhundert die Stadt Split heraus“, erzählt Stadtführerin Anita Birimisa. Wer die Altstadt von der Hafenseite aus durch das Bronzetor betritt, steht in antiken Gewölben. Steintreppen führen ans Tageslicht. „Im Untergeschoss der Altstadt atmet man die Römerzeit, darüber sieht man Bauwerke aus dem 13. Jahrhundert“, sagt Birimisa. Die Bewohner haben im Laufe der Zeit die Überreste des Palastes aufgestockt und immer mehr dazugebaut, das einstige Mausoleum zur Kathedrale gemacht und den Jupiter-Tempel zur Taufkapelle. Heute leben etwa 2000 Menschen auf römischen Fundamenten, in venezianischen Mauern und modernen Anbauten. Braco Crnogorac ist einer von ihnen.

Der Kroate steht auf einem kleinen, mit Efeu und anderen blühenden Rankpflanzen bewachsenen Grundstück gegenüber seinem Haus nahe der Kathedrale. Zwischen den Ranken an der Wand zum Nachbarhaus und unter ein paar Palmen lagern Säulenfüße, Kapitelle, Steinplatten mit gemeißelten Gesichtern und andere antike Bruchstücke. „Das ist mein privates Museum“, sagt Crnogorac. Er habe eigentlich ein kleines Apartmenthaus an dieser Stelle errichten wollen. Doch schon beim ersten Spatenstich stieß er auf steinerne Geschichte und meldete das den Behörden. Damit war auch das geplante Haus Geschichte.

„Investoren haben es schwer, man stößt in Split immer auf die Antike“, bestätigt Birimisa. Trotzdem sorgen sie und ihre Kollegen sich, dass der große Touristenansturm die Einheimischen verdrängen und den Welterbestatus gefährden könnte. „Wir Guides mahnen, dass die Menschen hier leben bleiben müssen und vernünftig Lebensmittel kaufen können, nicht zu Touristenpreisen.“ Eine offenbar nicht unberechtigte Sorge: An vielen Stellen weisen Schilder zu Apartments, Hostels und Bed & Breakfasts. Menschen mit Rollkoffern bevölkern die engen Gassen.

Beschaulicher geht es in Sibenik zu, auf halber Strecke zwischen Zadar und Split auf einem Hügel an der Mündung des Krka-Flusses gelegen. Auch die rund 950 Jahre alte und einzige von Kroaten gegründete Stadt in Dalmatien kann mit Unesco-Titeln aufwarten. Besonders sehenswert in der mittelalterlichen Altstadt ist die Kathedrale Sv. Jakov. Das 1555 eingeweihte Bauwerk zählt seit der Jahrtausendwende zu den Welterbestätten. Es wurde ohne jegliches Bindemittel errichtet.

Im Jugoslawienkrieg wurde die Kuppel des venezianisch-gotischen Doms aus hellem Stein zerstört. „Die Restauratoren wussten zunächst nicht genau, wie sie vorgehen sollten, es gab keine schriftlichen Aufzeichnungen dazu“, erklärt Stadtführerin Ivanka Coga. Vier Jahre habe es gedauert, bis sie herausgefunden hatten, wie sie die Kuppel ohne Zement oder Beton wieder zusammensetzen.

So kamen auch die Macher der HBO-Serie „Game of Thrones“ auf die Idee, die Kathedrale und den davor liegenden Renaissanceplatz als Kulisse zu nutzen. Und so lockt die Stadt neben historisch interessierten Besuchern auch immer wieder Serienfans an, die an Dalmatiens Küste Erholung suchen. (dpa)

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