Mit dem Fahrrad durch den Südosten der Grünen Insel



Auf dem kleinen gepflasterten Hof von O’Mahony’s herrscht im Sommer Hochbetrieb: An schönen Tagen stürzen erschöpfte Radler helles Ale die Kehle hinunter. Die einzige Bedienung des Pubs schlängelt sich geschickt mit ihrem vollen Tablett durch die Menge, verteilt Getränke und nimmt Bestellungen entgegen. Andere Radfahrer sitzen an den Holztischen und strecken ihre müden Beine in die Sonne. Auf dem Rasen vor dem Pub drängeln sich abgestellte Räder und warten darauf, dass es weitergeht.

O’Mahony’s ist für Radfahrer auf dem Waterford Greenway ein idealer Ort zum Auftanken. Der Pub liegt in Stradbally, etwa zehn Kilometer von dem Ort Dungarvan entfernt. Wer die Tour in Waterford begonnen hat und über den insgesamt 46 Kilometer langen gut ausgebauten Radweg im Südosten Irlands gefahren ist, befindet sich hier fast am Ziel.

Mittendrin im Gewusel steht Garvan Cummins. Er betreibt einen Fahrradverleih. In dem kleinen weiß getünchten Schuppen auf dem Hof des Pubs flickt der etwa 40-Jährige mit zwei Helfern platte Reifen, stellt Bremsen ein oder richtet die Gangschaltung. „Wenn es gar nicht mehr geht, hole ich liegengebliebene Radfahrer auch mit dem Auto ab.“

Cummins ist nicht nur Fahrradmechaniker. Ohne ihn gäbe es den Waterford Greenway nicht. Vor etwa zehn Jahren machte es sich der Historiker mit ein paar Gleichgesinnten zur Aufgabe, die alte Bahnstrecke zwischen Dungarvan und Waterford wiederzubeleben. Damals wurde die Deise Greenway Group gegründet und letztlich die Strecke als Radweg ausgebaut. Seitdem trägt Cummins den Titel „The Greenway Man“ – mittlerweile heißt so auch seine Firma.

Der Ausbau des Radweges hat die Gegend rund um Waterford verändert. „Vor zwei Jahren saß hier im Pub kaum jemand“, erzählt Cummins. „Heute ist es voll.“ Trotz des Andrangs nimmt er sich für jeden Zeit.

Selbst wenn es im O’Mahony’s voll ist, verteilt sich der Verkehr meist gut auf dem flachen, langgestreckten Greenway. Mit ein wenig Glück sind Radfahrer selbst an sonnigen Tagen zumindest ein Stück allein unterwegs durch die sattgrüne Landschaft.

Für geübte Radtouristen erscheint die Strecke kurz, dennoch ist der Waterford Greenway abwechslungsreich: Wer in Waterford startet, fährt erst ein Stück am Fluss Suir entlang und passiert in Kilmeaden eine Bahnstation. Dort kann man eine Tour mit einer Schmalspurbahn machen. An Feldern und Wiesen vorbei geht es dann bis nach Kilmacthomas. Dort führt der Weg über ein beeindruckendes Viadukt. Es folgen hohe Hecken bis zu O’Mahony’s Pub in Stradbally. Dann kommt ein langer, schummriger Tunnel und schließlich ein Stück am Meer entlang bis zum Hafenstädtchen Dungarvan.

Gewöhnungsbedürftig für manche Radfahrer: Auch auf dem Radweg herrscht strikter Linksverkehr. Wer darauf nicht achtet, hört sofort: „Wrong side of the road!“ – falsche Straßenseite. Der Ton ist dabei bestimmt, aber immer freundlich. In Irland nehmen Radfahrer aufeinander Rücksicht.

Wer abseits der Greenways unterwegs ist, muss sich die Straße meist mit Autos teilen. „Always keep left“ – immer links fahren, rät Des Hayes allen, die nicht aus Irland oder Großbritannien kommen. „Daran müssen sich die meisten tatsächlich gewöhnen“, sagt der 67-Jährige, der in Wexford einen Fahrradladen in dritter Generation betreibt. Unfälle hat er dennoch selten erlebt. Das mag auch an der Fahrweise der irischen Autofahrer liegen. Wie die einheimischen Radfahrer fahren sie zwar oft zügig, aber meist rücksichtsvoll. Hupen, drängeln? Fehlanzeige. Selten kommen sich Radfahrer und Autos nah.

Rund um Wexford gibt es zahlreiche Routen für Radtouristen etwa die „Slaney Route“ mit einer Länge von 53 Kilometern, die kürzere „Coastal Route“ mit 36 Kilometern oder die „South Wexford Route“ mit 78 Kilometern. Die Strecken führen meist über schmale Straßen durch wenig bewohntes Hinterland, vorbei an großzügigen Anwesen, an alten Kirchen und noch älteren Burgen. Teils säumen hohe Hecken den Weg, deren Äste und Blätter an manchen Stellen einen Tunnel bilden.

Meist sind die Wege gut ausgeschildert. Radfahrer sollten dennoch aufmerksam sein. Wer die blauen Wegweiser am Straßenrand verpasst, kommt schnell von der Route ab. Doch dann hilft die irische Gastfreundschaft: Leute nach dem Weg zu fragen, klappt immer. Manchmal wetteifern die Einheimischen sogar um die beste Wegbeschreibung. Am Ende kommt man aber immer ans Ziel. (dpa)

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