Ottfried Fischer: „Arbeit ist nicht mehr das Allerwichtigste“



Ottfried Fischer hat viel vor: Der Kabarettist schreibt an einem neuen Buch, plant eine Talkreihe und schließt auch schauspielerische Auftritte nicht aus. Vor allem aber versucht er, nach seiner lebensbedrohlichen Blutvergiftung im vergangenen Jahr wieder auf die Beine zu kommen. Von München ist Fischer nach Passau umgezogen. Dort hat er das Stadthaus seiner Großeltern geerbt. Am vergangenen Mittwoch wurde der „Bulle von Tölz“ 65 – und flüchtete in den Urlaub an einen geheimen Ort, wie seine Lebensgefährtin Simone Brandlmeier verriet.

Ein verregneter Oktobertag in Passau: Ottfried Fischer sitzt in seinem Arbeitszimmer am Schreibtisch, schwarz gekleidet und mit leuchtend blauen Turnschuhen an den Füßen. Durch die Fenster geht der Blick über den Inn. Auf dem Computerbildschirm hat er das Manuskript zu seinem neuen Buch vor sich, gerade ist der Lektor zu Besuch. Es soll eine Sammlung an Kurzgeschichten werden, „die Ansichten, Einsichten und Begebenheiten dieser Gegend teilweise in humoristischer, teilweise in philosophischer Attitüde zeigen“.

Es herrscht Baustellenlärm. Fischer lässt das jahrhundertealte Haus sanieren, auch ein rollstuhltauglicher Lift musste eingebaut werden. Mehrere Wohnungen hat er an Studenten vermietet. Vom ersten Tag an habe er sich in Passau zuhause gefühlt. „Das Haus atmet einen schönen Geist.“ Im Erdgeschoss lässt er sein Hochwassermuseum umbauen und einen Veranstaltungsraum einrichten. Hier will der Kabarettist eine Talkreihe etablieren. „Stammtischgespräche mit Menschen, die etwas zu sagen haben.“ Zunächst habe aber das Buch Vorrang.

Und die Gesundheit: Tags zuvor sei er– „nachdem ich schon so schwach war, dass die Leute gemeint haben, ich komme nicht mehr auf die Beine“– eine Steintreppe neben seinem Haus hinaufgestiegen. Die rund 120 Stufen habe er in einer Viertelstunde geschafft. Bei der Verleihung des Deutschen Comedypreises im Oktober 2017 war der schwergewichtige Ehrenpreis-träger noch im Rollstuhl gesessen. 2008 hatte der Kabarettist seine „Parkinson“-Erkrankung öffentlich gemacht und kurz darauf gescherzt: „Keine Angst, ich mach‘ keine Schüttelreime!“ Den Humor hat er sich nicht nehmen lassen.

Zufrieden in Passau

Ansonsten veränderte die Krankheit so einiges in Fischers Leben. 2009 musste er sich nach dem Tod seiner Filmmutter Ruth Drexel von seiner Paraderolle als „Bulle von Tölz“ bei Sat.1 verabschieden. Im November 2012 moderierte er letztmals seine Kult-Kabarettsendung „Ottis Schlachthof“ im Bayerischen Fernsehen, knapp ein Jahr später war es auch mit dem „Pfarrer Braun“ vorbei. 2017 sagte er in einem Interview, keine Rollen mehr angeboten zu bekommen.

Ausschließen will er nicht, noch einmal vor der Filmkamera zu stehen. Jedoch: „Das ist auch etwas, was ich festgestellt habe: Wenn so eine persönliche Ära erstmal vorbei ist, dann ist sie vorbei.“ Aber er habe mehr als 150 Filme gemacht. „Da weiß man, was man getan hat. Es war ein Leben im Laufrad.“ Abends habe er einen Zettel bekommen, auf dem stand, was er am nächsten Tag zu tun hatte. „Und dann fährt man dahin, leistet sein Pensum ab und fährt nach Hause mit dem Zettel für den nächsten Tag.“ Diese Fremdbestimmtheit sei nicht das Ideal eines kreativen Berufes.

Seine TV-Karriere startete Fischer, der im Bayerischen Wald auf einem Bauernhof aufwuchs, in den 1980er Jahren. Regisseur Franz Xaver Bogner engagierte ihn für die Serien „Irgendwie und Sowieso“ und „Zur Freiheit“, er war in „Zärtliche Chaoten“ und „Go Trabi go“ zu sehen und schlüpfte 1995 erstmals in die Rolle des grantelnden Kommissars Benno Berghammer. „Der Bulle von Tölz“ machte ihn berühmt.

Sein persönliches Highlight? „Irgendwie und Sowieso“. Das sei auch die Serie, auf die er am häufigsten angesprochen werde. Die Leute sagten ihm oft ganze Dialoge vor. „Der Sir Quickly taugt schon für eine kleine Unsterblichkeit.“

Erfolg und Prominenz brachten für Fischer private Schlagzeilen mit sich. Die Trennung von seiner Frau, mit der er zwei Töchter hat, beschäftigte die Klatschmedien genauso wie der jahrelange Rechtsstreit um ein Sex-Video. Auf der anderen Seite stehen zahlreiche Ehrungen: die Goldene Romy, der Bayerische Kabarettpreis, der Orden wider den tierischen Ernst und der Deutsche Comedypreis. Hape Kerkeling unterstrich in seiner Laudatio, dass Fischer viele Künstler– auch ihn selbst – in „Ottis Schlachthof“ gefördert und ihnen den Weg geebnet habe. In Anspielung auf Fischers Leibesfülle scherzte Kerkeling: „Ein so großer Komiker wie du, der passt einfach nicht in einen kleinen dünnen Mann.“

Mit dem Wegzug aus München hat für Fischer ein neues Kapitel begonnen. Die Passauer freuten sich, wenn sie ihm auf der Straße begegnen. „Noch lieber ist ihnen, wenn ich mit meiner Lebensgefährtin durch die Stadt gehe. Dann sprechen sie sie an, ob sie mich etwas fragen dürfen“, sagt er amüsiert. „Die Leute fragen dann: ‚Wie geht es ihm denn heute?‘“. Er selber ist auch froh, in Passau zu sein. Das sei eine gute Möglichkeit, sich nicht totzuarbeiten. „Weil man akzeptiert hat, dass die Arbeit nicht mehr das Allerwichtigste ist.“ (dpa)