Gaukeln Bachelor und Master mehr Einfachheit nur vor?

Aline Deruisseau hat acht Jahre studiert und arbeitet nun für das Sozial-Psychologische Zentrum (SPZ) in Eupen. | David Hagemann


Es beginnt mit Fragen, die uns nur allzu bekannt vorkommen: Wo studiere ich? Kann ich mit meinem Diplom ohne Hindernisse im Grenzgebiet auf beiden Seiten arbeiten? Für Aline Deruisseau, heute Psychologin, war klar: Ich beherrsche genug Französisch für Belgien. Fünf Jahre Grundstudium Psychologie in Lüttich folgten. „Ich habe noch im alten System studiert, also drei Jahre Kandidatur und zwei Lizenz. Ein Jahr danach wurden daraus drei Jahre Bachelor und zwei Master. Der Name wurde geändert, die Inhalte blieben gleich. Nur Theorie, keine Praxis in den ersten drei Jahren. Das meiste lernt man eh, wenn man arbeitet. Eine Stelle bekommt man, einen festen Vertrag aber selten, deshalb schaut man sich nicht nur in Belgien um.“ Im benachbarten Deutschland oder Resteuropa zu arbeiten, ist möglich. Diplomanerkennungsverfahren bleiben aber zeitaufwendig und teuer – egal ob „Lizenziat“ oder einheitliche Bezeichnung „Bachelor“ und „Master“. Rund sechs Monate dauert es und kostet mehrere Hundert Euro, manchmal mehr.

„Das Hauptstudium anerkennen lassen und im Ausland arbeiten ist eine Sache, wenn man aber irgendwann mal eine feste Stelle haben möchte, muss man Zusatzdiplome und Spezialisierungen vorzeigen können.“ Daher entschied sich Aline nach dem Hauptstudium für ein Zusatz-Diplom in Verhaltenstherapie. Drei weitere Jahre Studium in Belgien folgten. Ab hier wird es problematisch: Der Titel „Psychotherapeut“ ist in Belgien nicht geschützt, jeder darf sich so nennen – der Laie blickt da leider oft nicht durch. Zudem ist z.B. der deutsche Therapeutentitel geschützt, und die belgische Qualifizierung wird folglich nicht anerkannt. Das liegt u.a. daran, dass die deutsche Therapeutenausbildung intensiver ist. Mentale Gesundheit gilt als wichtiger Bereich, und eine Behandlung wird von den Kassen erstatt. Belgien kann da nicht mithalten, erstattet nur zwischen fünf und zehn Prozent einer Sitzung, die zwischen 40 und 60 Euro kostet. Deshalb gibt es auch so viele öffentliche Therapiezentren mit geringer Eigenbeteiligung, wie z.B. das SPZ, wo Aline arbeitet.

„In Deutschland gibt es mehr Privattherapeuten, man kriegt auch mehr Geld. Das ist reizvoll – nach acht Jahren Studium liegt mein Gehalt in Belgien unter 2000 Euro. Man müsste sich quasi schon nach dem Hauptstudium festlegen und für ein Land entscheiden, in dem man arbeiten möchte, um auch anerkannt zu werden.“ In der Grenzregion ist Einheitlichkeit nicht zuletzt deswegen von existentieller Bedeutung. Die EU-Kommissarin für Bildung Androulla Vassiliou hat angestoßen, dass innerhalb Benelux, Skandinavien und im Balkan akademische Titel wie „Bachelor“ und „Master“ automatisch anerkannt werden. Da sich aber einige Länder noch quer stellen, wird der Prozess wohl noch einige Jahre dauern. (jh)

 

Antwort der EU-Kommission:

Akademische Abschlüsse werden nicht automatisch EU-weit anerkannt, da die Regierungen der einzelnen EU-Länder nach wie vor für ihre Bildungssysteme verantwortlich sind und nach eigenem Ermessen Regelungen anwenden können, darunter Vorgaben für die Anerkennung im Ausland erworbener akademischer Qualifikationen.

In den meisten Fällen können Sie sich einen Vergleichbarkeitsnachweis für Ihren Hochschulabschluss ausstellen lassen, aus dem hervorgeht, inwiefern der Abschluss mit den Abschlüssen vergleichbar ist, die in dem EU-Land erworben werden können, in das Sie umsiedeln. Wenden Sie sich zu diesem Zweck an das ENIC/NARIC-Zentrum in dem Land, für das Sie die Vergleichbarkeit Ihrer Abschlüsse prüfen lassen möchten. Dies kann Ihr Heimatland sein, wenn Sie nach Ihrem Studium zurückkehren, oder ein anderes EU-Land, in das Sie zur Arbeitsaufnahme oder zum weiteren Studium ziehen. Je nach Land oder Zweck der Bewertung prüft das ENIC/NARIC-Zentrum Ihre Abschlüsse entweder selbst oder leitet sie an die zuständige Behörde weiter.

Nichtsdestotrotz hat die Europäische Kommission einige Initiativen ergriffen um die Mobilität von Qualifikationen und Kompetenzen in Europa zu Zwecken des lebensbegleitenden Lernens zu erleichtern. In diesem Zusammenhang, möchten wir Sie auf folgende Initiativen aufmerksam machen. Da die Zahl neuer Qualifikationen weltweit zunimmt, und Länder ihre Qualifikationssysteme und Bildungsstrukturen ständig ändern, bemühen sich immer mehr mobile Bürger um eine angemessene Anerkennung ihrer außerhalb des Heimatlandes erworbenen Qualifikationen, so dass die Nichtanerkennung und schlechte Bewertung von Qualifikationen inzwischen zu einem globalen Problem geworden ist.

Da die Originalzeugnisse allein keine ausreichenden Informationen liefern, lassen sich Niveau und Zweck einer Qualifikation ohne detaillierte Erläuterungen nur sehr schwer abschätzen. Der Diplomzusatz, der gemeinsam von der Europäischen Kommission, dem Europarat und der UNESCO entwickelt wurde, ist eine Reaktion auf diese Herausforderungen und unterstützt die Mobilität und den Zugang zu Möglichkeiten des lebenslangen Lernens. Er wird einem Hochschulabschluss beigefügt und enthält eine standardisierte Beschreibung von Art, Stufe, Kontext und Status des vom Graduierten erfolgreich abgeschlossenen Studiums. Der Zusatz soll eine Anerkennung unterstützen und ist kein Lebenslauf und kein Ersatz für den Original-Befähigungsnachweis.

Der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR) fungiert als Übersetzungsinstrument, das nationale Qualifikationen europaweit verständlich macht und so die grenzüberschreitende Mobilität von Beschäftigten und Lernenden und deren lebenslanges Lernen fördert. Der 2008 von den europäischen Institutionen verabschiedete EQR wird europaweit in die Praxis umgesetzt. Länder werden ermutigt, ihre Qualifikationssysteme an den EQR zu koppeln, so dass ab 2012 bei allen neuen Qualifikationen Bezug auf ein entsprechendes EQR-Niveau genommen werden kann. Zu diesem Zweck wurde in jedem Land eine nationale Koordinierungsstelle benannt.

ECTS fördert die Transparenz der Lehre und des Lernens in Europa und erleichtert die Anerkennung von Studienleistungen. Das System ermöglicht die Übertragung von Lernerfahrungen zwischen verschiedenen Einrichtungen, größere Studentenmobilität und mehr Flexibilität beim Erwerb von Abschlüssen. Zudem trägt es zur Lehrplangestaltung und Qualitätssicherung bei. Obwohl ECTS zur Anerkennung von Studienleistungen zwischen verschiedenen Einrichtungen und nationalen Bildungssystemen beitragen kann, sind Hochschuleinrichtungen in ihrer Entscheidung frei. Endgültige Beschlüsse werden von den zuständigen Stellen gefasst.