Agoria-Studie: 2030 werden in Belgien knapp 600.000 Jobs unbesetzt bleiben

AVED-Geschäftsführer Volker Klinges (links) und AVED-Präsident Ludwig Henkes (rechts) konnten Gastreferent Jeroen Franssen (Agoria, Zweiter von links) begrüßen. Rechts daneben erkennt man Beschäftigungsministerin Isabelle Weykmans. | AVED



Auf Einladung des Arbeitgeberverbandes in der DG (AVED) wurden vor rund 60 ostbelgischen Teilnehmern aus Wirtschaft, Politik und Schulwesen die Resultate vorgestellt. Die digitale Revolution schreitet voran: Die Digitalisierung nimmt nunmehr progressiv Einfluss auf alle Sektoren. Es werden Berufe und damit Arbeitsplätze der Digitalisierung zum Opfer fallen, während neue Berufsbilder und Arbeitsplätze entstehen. Die durch Agoria vorgestellten Resultate des Einflusses der digitalen Revolution auf den Arbeitsmarkt stimmen jedoch positiv: Laut Gastreferent Jeroen Franssen, sogenannter Lead-Expert „Talente und Arbeitsmarkt“ von Agoria, werden für jeden verlorenen Arbeitsplatz 3,7 neue Jobs entstehen. Die „kreative Zerstörung“ der Digitalisierung werde also einen positiven Effekt auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze haben. Diese Zahlen sollten beruhigend auf die Digitalisierungs-Gegner einwirken, die bereits das Ende der Arbeit prognostizieren, und die Optimisten, die von einem digitalen Wirtschaftswunder reden, in ihrer Meinung eher bestärken.

Die optimistische Feststellung verbirgt jedoch eine große Herausforderung: Demnach werden bis 2030 rund 235.000 Jobs verlorengehen und rund 864.000 neue entstehen. Insbesondere ab 2021 wird sich die Schere zwischen Nachfrage und Angebot von Arbeitskräften weiter öffnen. Laut Agoria sind alle schleunigst gefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um das beschriebene Negativszenario von knapp 600.000 unbesetzten Arbeitsstellen bis 2030 zu vermeiden. Agoria chiffriert den wirtschaftlichen Verlust für Belgien auf 95 Milliarden Euro, sollten keine Veränderungen erfolgen. Vier Lösungsvorschläge bietet der Verband an, um in der Kombination dieser Maßnahmenpakete dem Problem Herr zu werden. Dabei wurden 75 Beschäftigungsprofile im Rahmen einer mikroökonomischen Analyse unter die Lupe genommen.

Die Empfehlungen: Weiterbildung zwecks Aktualisierung der Kompetenzen, Umschulung und Umorientierung, Aktivierung sowie Produktivitätssteigerung. Laut der Autoren müssen rund 4,5 Millionen Arbeitnehmer in den nächsten Jahren an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen, um ihre Kompetenzen und Kenntnisse auf dem sich ständig verändernden Digitalisierungsniveau zu bringen und zu halten. Weitere 310.000 Arbeitnehmer und Arbeitsuchende werden umorientiert und -geschult werden müssen, um sich einen dauerhaften Arbeitsplatz zu sichern. Die Aktivierung von Personen ist der dritte Strategieblock, um das Arbeitskräfteangebot zu erhöhen. Dazu gehören die Aktivierung der zur Zeit inaktiven Bevölkerung, die Stimulierung der Wirtschaftsmigration, die Notwendigkeit, mehr und länger zu arbeiten sowie eine passgenauere Abstimmung des Studienangebotes auf den Bedarf des Marktes. 268.000 Arbeitsplätze sollen durch die Aktivierung bis 2030 abgedeckt werden. Die Nachfrage nach Arbeitskräften kann auch durch eine Erhöhung der Produktivität erzielt werden. Hier seien vor allem die Betriebe gefordert, durch Investition in Produktivität und Effizienzsteigerung Einfluss auf die Nachfrage zu nehmen. Dieser Strategiebereich soll laut Studie die Nachfrage nach Arbeitskräften um 208.000 Einheiten senken.

Nur radikale Änderungen führen laut Agoria zu einem langfristig stabilen und nachhaltigen Arbeitsmarkt. Sollten alle Vorschläge umgesetzt werden, würden im Jahr 2030 trotzdem 108.000 Jobs unbesetzt bleiben – das sei unvermeidbar und betreffe damit zwei Prozent der aktiven Bevölkerung. Nicht nur der nationale, sondern ebenfalls die regionalen Arbeitsmärkte in Flandern, der Wallonie und Brüssel wurden analysiert. Daher wurde seitens mehrerer Teilnehmer angeregt, das Modell auch auf den ostbelgischen Arbeitsmarkt anzuwenden. (red/sc)