Johannes Thingnes Bö: Der Mann mit dem goldenen Gewehr

<p>Johannes Thingnes Bö</p>
Johannes Thingnes Bö | afp

„Er war ein sehr guter Fußballspieler, er wollte Fußballprofi werden“, erzählte dessen Bruder Tarjei: „Doch unsere Eltern wollten das nicht. Sie dachten, dass das ein alberner Sport ist.“

Also überredeten Klemet und Aslaug Hildegunn ihren damals 16 Jahre alten Johannes, doch mal zumindest für einen Monat dem Biathlon den Vorzug zu geben. Schließlich hatte sein fünf Jahre älterer Bruder Tarjei auf den dünnen Brettern und mit dem Gewehr schon großes Talent bewiesen. „Einen Monat später“, berichtete Tarjei, „hatte er diese norwegische Rollskimeisterschaft gewonnen. Von da an war sein Weg vorgezeichnet.“ Beim Weltcup-Finale in Oslo fand dieser seinen vorläufigen Höhepunkt auf dem Biathlon-Thron.

Der neue König der Skijäger konnte von Glück reden, dass er unweit des Holmenkollens wohnt – schließlich hatte er nach einer triumphalen Saison schwer zu schleppen. Gleich fünf Kristallkugeln hatte Bö im Gepäck – erstmals die große für den Gesamtweltcup, dazu vier kleine für alle Disziplinwertungen. In der Vitrine des 25-Jährigen, der bei der WM zuletzt viermal Gold und einmal Silber gewonnen hatte, wird es somit immer enger.

Historisches vollbrachte der Einzel-Olympiasieger, der mit vergoldetem Gewehr schießt, aber auf andere Weise. 16 der 25 Saisonrennen gewann Bö, so viele wie kein anderer Biathlet innerhalb eines Winters zuvor. „Das ist eine große Leistung, ich habe Geschichte geschrieben“, sagte der Dominator: „Jetzt habe ich endlich diese Ziele erreicht, nun werde ich viel Zeit damit verbringen, das zu genießen.“ Sein großer Dank galt dabei dem Bruder. „Ohne Tarjei würde ich kein Biathlon betreiben“, sagte Johannes Thingnes über sein „Vorbild“, das selbst einen Olympiasieg und neun WM-Titel vorweisen kann: „Und selbst wenn doch, dann hätte ich mit 16 Jahren aufgehört. Das alles ist zu 100 Prozent Tarjeis Verdienst.“ Zunächst als schlampiges Genie verschrien, überzeugt Johannes Thingnes Bö heute mit Fleiß. „Jeder will die Nummer eins sein. Ich weiß das, also muss ich mir den Arsch aufreißen und die harten Entscheidungen den leichten vorziehen“, sagte der siebenmalige Weltmeister Anfang März. Ausnahmen macht er kaum: „Ich habe Weihnachten nicht gefeiert, ich habe nur trainiert.“ Für die Hochzeit mit Hedda Klovstad Dähli fand er im vergangenen Juni immerhin Zeit.

Abseits der Rennstrecken wirkt der blasse Schlaks mit den rotblonden Haaren und großer schwarzer Brille unscheinbar, doch längst ist er in Norwegen zum Sportstar aufgestiegen. Die Popularität seiner einstigen Fußball-Idole Havard und Tore Andre Flo, wie die Bös in der knapp 7.000-Seelen-Gemeinde Stryn aufgewachsen, hat der Rekord-Biathlet längst erreicht.

(sid)

Kommentare

Kommentar verfassen

0 Comment