Das „Kampfschwein“ Rösch macht Schluss - „Ich hatte zwischenzeitlich nichts mehr“

Einen Witz konnte sich Michael Rösch noch nie verkneifen. „Es gibt große Neuigkeiten: Ich werde zum DSV zurückkehren“, scherzte der Biathlet, der einst mit der Staffel des Deutschen Skiverbandes (DSV) Olympiagold holte und nach einem Zerwürfnis für Belgien an den Start geht, in Oberhof bei einer spontanen Pressekonferenz. Doch als er dann ernst wurde, flossen die Tränen.

„Ich werde bald zum ersten Mal Vater. Das ist für mich der Hauptgrund, meine große Liebe Biathlon zu verlassen“, sagte der 35-Jährige aus Altenberg mit brüchiger Stimme. Schon nach der Staffel beim Weltcup in Ruhpolding am kommenden Sonntag, am Ort seines ersten Weltcupsieges, soll mit der Profikarriere Schluss sein.

Der Biathlon verliert damit eine seiner schillerndsten Persönlichkeiten. „Ich könnte über meine Karriere und mein Leben ein Buch schreiben“, sagte Rösch. Genug Stoff an Triumphen und Dramen gibt die Laufbahn von „Ebs“, dem Spaßvogel mit den lockeren Sprüchen und dem Rauschebart, gewiss her.

Schon im zarten Alter von 22 Jahren erklomm Rösch den Olymp. An der Seite der Biathlon-Granden Ricco Groß, Sven Fischer und Michael Greis holte der Sachse 2006 bei den Winterspielen in Turin die Goldmedaille in der Staffel. Doch so steil es nach oben ging, so tief war der Absturz.

Zwar gewann Rösch nach dem Olympia-Triumph noch dreimal WM-Bronze mit dem Team, aber Anfang 2011 reichten seine Leistungen nicht einmal mehr für den zweitklassigen IBU-Cup. Mühsam ackerte sich das selbsternannte „Kampfschwein“ von den Tiefen des Deutschland-Pokals zurück ins Weltcup-Team - nur um 2012 kurz vor der WM im Internet von seiner Ausbootung zu erfahren.

Es kam zum Bruch mit dem DSV, Rösch flüchtete zum belgischen Verband. „Die haben die besten Fritten, die beste Schokolade und das beste Bier“, witzelte der Sohn des dreimaligen DDR-Weltmeisters Eberhard Rösch über die Gründe seines Wechsels, durch den er auch seinen Beamtenstatus auf Lebenszeit bei der Bundespolizei verlor. Doch die Einbürgerung zog sich quälend lange - Rösch verpasste die angestrebte Olympia-Teilnahme in Sotschi.

Michael Rösch verkaufte sogar sein Haus und zog zwischenzeitlich wieder bei seinen Eltern ein.

„Ich hatte zwischenzeitlich nichts mehr. Ich hatte kein Geld, keine Zukunft, keine Perspektive“, erinnerte sich Rösch. Um seinen Sport zu finanzieren, verkaufte er sogar sein Haus und zog zwischenzeitlich wieder bei seinen Eltern ein. Zwölf Jahre nach dem Triumph von Turin und nach vielen Rückschlägen erfüllte sich Rösch in Pyeongchang schließlich den Traum von seinen zweiten Olympischen Winterspielen - auch dank einer Crowdfunding-Aktion, die mehr als 24.000 Euro einbrachte.

Was nach der Karriere wartet, weiß Rösch nicht. „Vielleicht komme ich ins Fernsehen“, sagte er. Auch eine Trainerlaufbahn könne er sich „gut vorstellen“. Und falls in Belgien beim Kampf um die Qualifikation für die Winterspiele 2022 in Peking mal Not am Mann ist, schloss Rösch nicht aus, „dass ich vielleicht die Staffeln komplettiere“ - wenn auch „nicht mehr als Vollprofi“. Nur bei einer Sache ist sich Rösch ganz sicher. „Ich kann vom Biathlon nicht lassen“, sagte er. (mv/sid/dpa)