Akwasi Frimpong ist der erste Olympia-Skeletoni Afrikas

Akwasi Frimpong sagt: Er habe Schlimmeres erlebt, als sich mit dem Kinn nur Zentimeter über dem Eis bei 120 km/h eine furchterregende Bobbahn hinunterzustürzen. | afp

Akwasi Frimpong kann sie sehen, wenn er die Augen schließt. Sie jagen ihn mit Gebrüll und aufgerissenen Mäulern. Die Löwen. „Ich bin der Hase, der vor den Löwen seiner Vergangenheit flieht, um zu überleben“, sagt der Skeletoni aus Ghana vor seiner Olympia-Premiere in Pyeongchang: „Meine Erinnerungen fressen mich nicht mehr auf.“

Das Bildnis des gelassenen Hasen im Angesicht blitzend scharfer Fangzähne ziert auch seinen Helm. Frimpong, 34, der erste Olympia-Skeletoni Afrikas, sagt: Er habe Schlimmeres erlebt, als sich mit dem Kinn nur Zentimeter über dem Eis bei 120 km/h eine furchterregende Bobbahn hinunterzustürzen.

Fußball-Legende Cruyff holte Akwasi Frimpong aus dem Tief.

„Ich bin bei meiner Großmutter Minka aufgewachsen, mit neun anderen Kindern in einer Kammer von nur vier mal vier Metern“, erzählt er. Er erinnere sich an Weihnachtsfeste in Kumasi, „zu denen gab es eine Flasche Cola. Oder ein Ei. Mehr nicht. Wir hatten sehr wenig.“ Seine Mutter wanderte aus, als er drei Jahre alt war. Sie wollte der Familie ein besseres Leben ermöglichen und brachte das größtmögliche Opfer. Sie versprach, ihren Sohn nachzuholen. Sie hielt Wort. „1995 ging auch ich in die Niederlande. Ich hatte noch nie einen Weißen gesehen“, sagt Akwasi Frimpong, der sich einen Schutzpanzer zugelegt hat. Sein Körper sieht aus wie aus Marmor geschlagen. Schnell entdeckte er in der neuen Welt sein Talent für die Leichtathletik, er schien erstmals durchzustarten. Mit 17 wurde er niederländischer Juniorenmeister über die 200 m – doch er verbarg ein dunkles Geheimnis: Er war illegal ins Land eingereist. An internationale Veranstaltungen war nicht zu denken. Den Trainern log er vor, er habe seinen Pass verloren.

„Ich war der schnellste Kerl der Niederlande, aber ich war verzweifelt und traurig“, sagt Frimpong über diese schwere Zeit. „Ich habe jeden Tag geweint. Ich fühlte mich wie in Isolationshaft.“ Eine Fußball-Legende holte ihn aus dem Tief. Frimpong studierte in Amsterdam am Johan-Cruyff-College Marketing und Kommunikation, als Student des Jahres sollte er in Barcelona geehrt werden. Als Cruyff erfuhr, dass Frimpong gar nicht würde ausreisen dürfen, brachte er die Auszeichnung persönlich nach Holland – mit einem Rat: „Erzähle deine Geschichte. Erzähle den Menschen, wer du bist.“ Ein Jahr später hatte Frimpong seinen niederländischen Pass.

Ein Trainer entdeckte ihn als Bob-Anschieber. „Ich habe gesagt: Bist Du vollkommen verrückt geworden? Ein schwarzer Mann im Eiskanal?“ Doch er versuchte es. Später auch im Skeleton: „Das erste Mal war wirklich erschreckend. Aber ich habe gemerkt, dass der Geist des Wettkämpfers noch in mir spukt.“

Daher hält sich Akwasi Frimpong auch nicht zurück. Er will sich bäuchlings mit den Besten messen, immer, er will kein belächelter Olympia-Exot sein. Sondern: „Spätestens 2022 will ich eine Medaille für Ghana holen. Und für ganz Afrika.“ Das dürfte schwierig werden. In Pyeongchang ruckelt er bislang mehr schlecht als recht die sehr schwierige Piste runter, gut 2,5 Sekunden fehlen ihm in seinem knallbunten Rennanzug zur Weltspitze. Das ist eine Welt im Skeleton. Andererseits bekam Frimpong noch einen besonderen Motivationsschub. Seine Tochter Ashanti ist jetzt an der Strecke, um ihrem Papa zuzujubeln. „Oh mein Gott“, sagt Frimpong, „wie sehr ich dieses Kind liebe.“ Er ist den Löwen entkommen. (sid)