Im Klub der Großen: Angie Kerber nach Wimbledon-Sieg auf Olymp

Durch den Triumph beim ältesten und wichtigsten Turnier der Welt ist Angelique Kerber in den Kreis der deutschen Tennis-Legenden aufgerückt. | afp

Nach Angelique Kerbers Sturm auf den Tennis-Olymp stellte Boris Becker gleich einen Bauantrag für sein altes „Wohnzimmer“ auf dem Centre Court von Wimbledon. „Vielleicht sollten wir es etwas vergrößern“, schrieb die deutsche Tennis-Ikone bei Twitter. Schließlich müssten er, Steffi Graf und Michael Stich es ja nun mit der neuen Wimbledonsiegerin aus Kiel teilen. Es könnte also ein wenig eng werden an diesem fast mythisch verklärten Ort im Süden von London.

Kerber spielte „Kerber-Tennis“: Rennen, Kämpfen und in den richtigen Momenten aus der Defensive heraus attackieren.

Von allen Seiten erreichten Kerber nach ihrem Finalerfolg gegen Serena Williams die Glückwünsche und Gratulationen. Als sie mit dem silbernen Siegerpokal in den Händen und einem funkelnden Strahlen in den Augen durch das Klubhaus des altehrwürdigen „All England Lawn Tennis Club“ schritt, warteten dort bereits die britischen Herzoginnen Meghan und Kate sowie IOC-Präsident Thomas Bach. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sendete umgehend eine Grußbotschaft und gratulierte zu einer „begeisternden Leistung“.

Durch ihren Triumph beim ältesten und wichtigsten Turnier der Welt ist Kerber in den elitären Kreis der deutschen Tennis-Legenden aufgerückt. Ihr 6:3, 6:3-Sieg gegen die große Serena Williams gehört nun zu den wichtigen Momenten der deutschen Tennis-Historie. Becker und Graf rangieren zwar weiter in einer eigenen Liga, doch auch Kerber ist nun eine der wichtigen Figuren ihres Sports. Mit den Australian Open, den US Open und eben Wimbledon hat sie nun drei der vier Grand-Slam-Titel gewonnen. Sie ist die herausragende deutsche Spielerin ihrer Generation.

Der Sieg vom Samstag sticht bei alledem jedoch noch einmal kilometerweit heraus. Wimbledon sei „Turnier der Turniere“, hier zu gewinnen „der Traum der Träume“, befand Kerber wenige Stunden nach ihrem Match. Als kleines Kind hatte sie im heimischen Wohnzimmer gebannt vor dem Fernseher die großen Siege ihres Idols Steffi Graf verfolgt. Am Samstag durfte sie selbst den silbernen Pokal in die Höhe stemmen. „Wimbledon war immer das Turnier, das ich unbedingt gewinnen wollte“, sagte sie: „Ich habe meinen Lebenstraum erreicht.“

Nachdem auch der letzte Return der 23-maligen Grand-Slam-Gewinnerin Williams im Netz gelandet war, war Kerber wie vom Blitz getroffen auf den „heiligen Rasen“ des Centre Courts gesunken. Erst auf die Knie, dann auf den Rücken. Sofort schossen ihr die Freudentränen in die Augen. „Ich weiß auch nicht, irgendwie lande ich jedes Mal auf dem Boden“, scherzte sie später. Nach großen Triumphen gibt sich Kerber ihren Gefühlen einfach hin. Im Match zuvor hatte sie diese noch gezielt unterdrückt. Sie sei sehr angespannt gewesen, berichtete sie hinterher, habe aber versucht, „die Nervosität loszulassen“. Immer, wenn die Emotionen in ihr hochzukochen drohten, atmete Kerber tief durch, führte kleine Selbstgespräche. Es funktionierte. Fehler machte fast nur die ungewohnt fahrige Williams. Kerber spielte „Kerber-Tennis“: Rennen, kämpfen und in den richtigen Momenten aus der Defensive heraus attackieren.

Nach 65 Minuten war Kerber am Ziel. Den anschließenden Marathon mit über 30 TV-Interviews und Pressekonferenzen absolvierte sie in einer Trance des Glücks. Kerber hat mit ihren Siegen dafür gesorgt, dass Tennis überhaupt wieder auf der Karte der deutschen Sportlandschaft aufgetaucht ist. Und gehört darum nun zum Kreis der Großen. (sid)