Frauenpower bei der Schwimm-WM in Budapest

Das WM-Maskottchen Lali hatte die Fahne mit der Aufschrift „Weltrekord“ wieder eingerollt. US-Star Katie Ledecky war in der Duna Arena über 400 m Freistil allen davongeschwommen, ohne aber ihre eigene Bestmarke von Olympia in Rio zu brechen. Eine knappe Stunde später kraulte Sarah Sjöström zu einem Fabelweltrekord – und fast niemand merkte es. Als Startschwimmerin der schwedischen Freistilstaffel knackte die Olympiasiegerin in 51,71 Sekunden als erste Frau die 52er-Marke über 100 m – mit Ansage, aber ohne Durchsage. „Der Plan war, den Weltrekord am ersten Tag zu schwimmen“, sagte die 23-Jährige, „dann bin ich frischer als später in der Woche.“ In der Staffel sei es leichter als im Einzelrennen, betonte Sjöström, „da muss ich vorsichtiger angehen, um am Ende noch Kraft zu haben“. Mit dem schwedischen Quartett ging es nicht um Medaillen, sondern lediglich um die Zeit: „Ich habe auf den ersten 50 m alles rausgehauen und dann auf das Beste für die letzten 50 gehofft. Es war nicht wirklich kluges Schwimmen.“ Aber schnelles – 35 Hundertstelsekunden schneller als die Australierin Cate Campbell, die vor einem Jahr den Weltrekord von Britta Steffen um eine Hundertstel verbessert hatte. „Über viele Jahre und gerade im Laufe dieser Saison hat sich ein Leistungssprung angekündigt“, sagte die Doppel-Olympiasiegerin von Peking, die die Bestmarke 2009 im Hightech-Anzug aufgestellt hatte, dem SID und bescheinigte Sjöström „eine absolute Ausnahmeleistung“.

Die 10.000 Zuschauer in der Duna Arena bekamen vom ersten Weltrekord der WM nichts mit. Der Stadionsprecher erwähnte die Fabelzeit mit keinem Wort. Die Schwedinnen wurden am Ende Fünfte, der Jubel galt Ledecky, die am Ende des ersten Tages mit der US-Staffel ihr zweites Gold gewann. „Es war ein guter erster Abend“, bilanzierte die Vierfach-Olympiasiegerin von Rio. Dass sie über 400 m fast zwei Sekunden über ihrem Weltrekord geblieben war, störte sie nicht. „Es ist meine zweitbeste Zeit“, betonte die 20-Jährige, „es gibt keine Enttäuschung. Es ist ein WM-Gold, daran ist nichts auszusetzen.“ Ledecky hat in Budapest noch viel vor: Sie will auch über 200, 800 und 1500 m sowie in der 4×200-m-Staffel triumphieren und ihre fünf WM-Titel von 2015 überbieten. Ohne den zurückgetretenen Rekord-Olympiasieger Michael Phelps, den gesperrten Skandalschwimmer Ryan Lochte und die pausierende Missy Franklin sind alle Augen der Schwimmnation USA auf sie gerichtet.

Schwedens Star Sjöström schwamm unter dem Radar zum Weltrekord – so schnell wie Mark Spitz 1970, der als erster Mann die 52er-Marke durchbrochen hatte. Zwei Jahre später gewann der US-Star bei den Olympischen Spielen in München in 51,22 eine seiner sieben Goldmedaillen.

Noch hält Britta Steffen den Weltrekord über 50 m Freistil. Doch ihre 23,73 Sekunden von der WM 2009 in Rom sind ebenfalls in Gefahr: Sjöström schwamm im April schon bis auf zehn Hundertstel heran und greift am kommenden Wochenende auch diese Bestmarke an. (sid)