Jungels gewinnt Lüttich-Bastogne-Lüttich - Und wieder triumphiert Quick Step

Bob Jungels überraschte gestern alle Experten. | belga

Zweiter wurde der Kanadier Michael Woods (EF Education First-Drapac), Dritter der Franzose Romain Bardet (AG2R)

„Ich hätte nicht geglaubt, dass ich mit meiner Attacke durchkomme. Ich habe so lange auf einen großen Sieg gewartet, die harte Arbeit hat sich endlich ausgezahlt“, sagte Jungels. Der luxemburgische Landesmeister hatte im Januar einen heftigen Unfall unverletzt überstanden, als in Südafrika ein LKW in seine Trainingsgruppe gerast war. Dabei hatte sich sein Teamkollege Petr Vakoc (Tschechien) schwere Verletzungen zugezogen. Der spanische Vorjahressieger Alejandro Valverde (Movistar) verpasste am ersten Todestag seines bei einem Trainingsunfall gestorbenen Freundes Michele Scarponi seinen fünften Triumph bei „La Doyenne“ als 13. deutlich, alleiniger Rekordsieger bleibt damit Rad-Ikone Eddy Merckx mit fünf Siegen. Erster Belgier beim Monument war Lotto-Profi Jelle Vanendert, der mit 45 Sekunden Rückstand ins Ziel rollte.

Kurz nach dem Start hatte sich eine neunköpfige Fluchtgruppe gebildet, ansonsten blieb das Rennen über lange Zeit fast schon traditionell ereignisarm. Erst als der letzte Ausreißer rund 30 Kilometer vor dem Ziel gestellt war, kam Bewegung ins Feld. Es entstand eine Spitzengruppe mit den meisten Favoriten, aus denen 19 Kilometer vor Schluss Jungels die entscheidende Attacke fuhr.

Der Triumph bei der „Doyenne“ ist der 27.Erfolg für Quick Step.

Lüttich-Bastogne-Lüttich bildet traditionell den Abschluss der Frühjahrs-Klassiker. Das Rennen zählt neben Mailand-Sanremo (März), der Flandern-Rundfahrt, Paris-Roubaix (beide April) und der Lombardei-Rundfahrt (13. Oktober) zu den fünf „Monumenten des Radsports“. Zudem endete mit Lüttich-Bastogne-Lüttich die Ardennen-Trilogie, die das Amstel Gold Race und den Fleche Wallonne einschließt.

Die Klassikersaison endete indes, passend zum Verlauf der vergangenen zwei Monate, mit einer dominanten Vorstellung der belgischen Quick-Step-Mannschaft. Allerdings war es nicht der Favorit Julian Alaphilippe, der den 27. Saisonerfolg der Mannschaft einfuhr, sondern sein Teamkollege Bob Jungels.

Dass bei Quick-Step Floors nicht nur die Stärke der Mannschaft, sondern auch der Teamgeist entscheidend ist, zeigte sich, als nach dem Zieleinlauf der eigentliche Kapitän Alaphilippe seinem siegreichen Helfer um den Hals fiel. Für andere Mannschaften verlief das Rennen weniger erfreulich. Der zweite Top-Favorit Alejandro Valverde (Movistar) verpasste nach mehreren Versuchen, das Loch zu Bob Jungels zu schließen, letztendlich die Top Ten. UAE Team Emirates ackerte viel für Daniel Martin, den im Finale ein Defekt stoppte. Und auch das aktive Lotto-Soudal-Team ging nach einer vielversprechenden Attacke von Jelle Vanendert an der letzten Steigung schließlich leer aus.

Bereits nach neun Kilometern konnten sich Loic Vliegen (BMC), Anthony Perez (Cofidis), Mark Christian und Casper Pedersen (Aqua Blue Sport), Florian Vachon (Fortuneo-Samsic), Jérôme Baugnies (Wanty-Groupe Gobert), Paul Ourselin (Direct Energie), Mathias Van Gompel (Sport Vlaanderen-Baloise) und Antoine Warnier (WB Aqua Protect Veranclassic) aus dem Hauptfeld absetzen und ihren Vorsprung schnell ausbauen.

Die ersten drei Rennstunden verliefen mit einem Schnitt von 39 km/h eher gemächlich. Im Feld kontrollierten neben dem UAE Team Emirates auch zeitweise Quick-Step Floors, Movistar und Lotto Soudal das Tempo.

Mit seinem Sieg eifert Bob Jungels Landsmann Andy Schleck nach.

Der Rückstand auf die Spitzengruppe pendelte zwischen vier und sechs Minuten. Über die Anstiege Côte du Pont, Côte de Bellevaux und Côte de Ferme Libert rund 70 Kilometer vor dem Ziel verringerte sich die Anzahl der Spitzenreiter auf vier, während im Feld weiterhin UAE Team Emirates ein gleichmäßiges Tempo anschlug. Erst mit der berüchtigten Redoute-Steigung 35 Kilometer vor dem Ziel änderte sich die Rennsituation. Baugnies setzte sich von seinen restlichen Begleitern ab und zum Solo an. Dahinter übernahm Quick-Step Floors die Tempoarbeit und reduzierte das Feld auf knapp 50 Fahrer. Auf dem Weg zwischen Redoute und Roche-Aux-Faucons hatte der designierte Quick-Step-Kapitän Alaphilippe teilweise drei Helfer vor sich. Top-Favorit Alejandro Valverde hingegen war schon früh isoliert. In der Anfahrt an den Fuß des Côte de la Roche-Aux-Faucons wurde das Rennen hektischer. In Folge dessen wurde Baugnies 22 Kilometer vor dem Ziel als letzter Ausreißer eingeholt und der Roche-Aux-Faucons entpuppte sich als der entscheidende Anstieg des Tages. Bahrain-Merida führte das geschrumpfte Feld in den Anstieg. Doch es war wiederum die Quick-Step-Mannschaft, in der Gestalt von Lokalmatador Philippe Gilbert, welche die Initiative ergriff. Sergio Henao (Sky) parierte die Attacke des Belgiers, um anschließend von Bob Jungels gestellt zu werden.

Der Luxemburger dezimierte die Favoritengruppe über die Kuppe des Anstiegs auf knapp 20 Fahrer und nutzte anschließend eine Phase der gegenseitigen Beobachtung, um sich 19 Kilometer vor dem Ziel abzusetzen.

Mit seinem Sieg eifert Jungels seinem Landsmann Andy Schleck nach, der als letzter Luxemburger 2009 mit einer Attacke an gleicher Stelle ebenfalls einen Solo-Triumph feierte. „Gestern Abend habe ich mir mit Julian die Edition von 2011 angesehen, die Gilbert vor den beiden Schleck-Brüdern gewann“, verriet Jungels. Der Klassikersieg könnte für den 25-Jährigen einen Durchbruch bedeuten. Jungels unterstrich die Bedeutung des Erfolgs: „Ich habe schon eine lange Zeit auf so ein großes Resultat gewartet und bin froh, dass sich die harte Arbeit ausgezahlt hat.“(mv/sid/rsn)