Edelhelfer Geraint Thomas fährt in Gelb und befeuert Debatte

Nach dem Rennen seines Lebens schlüpfte Geraint Thomas überglücklich ins Gelbe Trikot, von einer Wachablösung bei der Tour de France wollte die Nummer zwei des Sky-Teams aber nichts wissen. „Chris Froome ist noch immer unser Kapitän“, sagte Thomas, nachdem er als Edelhelfer seinen Leader bei der ersten Bergankunft mit einem Etappensieg in den Schatten gestellt hatte.

Thomas versuchte nach seinem Triumph die schwelende Debatte über die Führungsrolle im erfolgsverwöhnten Star-Team zu ersticken. „Wenn es darauf ankommt, werde ich Chris den Vortritt lassen“, sagte der Waliser. Sein Vorsprung auf den zweitplatzierten Froome beträgt vor dem Alpen-Spektakel in L’Alpe d’Huez am Donnerstag 1:25 Minuten.

Thomas hatte Froome am Schlussanstieg der 11. Etappe nach La Rosière abgehängt und die stallinterne Hackordnung scheinbar umgeworfen. „Am Berg zu gewinnen, ist etwas Spezielles. Ich habe nicht damit gerechnet“, sagte Thomas bei Eurosport. „Ich musste auf den Sieg gehen. Es wäre dumm gewesen, es nicht zu tun.“

Van Avermaet trägt nach über einer Woche nicht mehr das Gelbe Trikot.

Thomas löste auf dem 108,5 km langen Teilstück über vier Alpenpässe den Flamen Greg Van Avermaet nach über einer Woche als Gesamtführenden ab. Thomas kam mit 20 Sekunden Vorsprung auf Froome ins Ziel.

In der Vergangenheit hatten Froomes Helfer sportlich gegen den Kapitän aufbegehrt. Schon im Vorjahr wirkten die spanischen Domestiken Mikel Landa und Mikel Nieve bei der Tour zeitweise stärker als der Boss, vor allem Landa hätte Froome in den Bergen wohl stehen lassen können. Landa (jetzt bei Movistar) und Nieve (bei Mitchelton-Scott) traten nach der Saison die Flucht an, spielen aber bei der laufenden Tour nicht die erhoffte Rolle.

Vor allem aber kennt Froome die Position von Thomas aus eigener Erfahrung: 2012 wirkte der damalige Tour-Debütant stärker als sein Sky-Kapitän Bradley Wiggins, der deutlich populärere Wiggins sollte allerdings unbedingt die Rundfahrt als erster Brite gewinnen – Froome musste sich mit Platz zwei begnügen, erst ein Jahr später erhielt er den Freifahrtschein.

Am ersten Anstieg der Hors Categorie, der Montee de Bisanne, übernahm Sky umgehend das Kommando im Feld der Favoriten. Froomes Helfer diktierten das Tempo, nur wer keine ernsthafte Gefahr für die eigenen Ambitionen darstellte, wurde fahren gelassen. Am bis zu 11,3 Prozent steilen Col du Pre begann in der Gruppe Froome die Selektion. Neben Van Avermaet konnte auch der angeschlagene Mitfavorit Rigoberto Uran (Kolumbien/EF Drapac) nicht folgen. Dagegen forcierte Routinier Alejandro Valverde (Spanien/Movistar) erfolgreich eine Attacke, später setzte sich auch Tom Dumoulin (Niederlande/Sunweb) in einer Abfahrt ab. Gegen die Nachführarbeit der bärenstarken Sky-Mannschaft war Valverde machtlos. Am Schlussanstieg wurde er eingeholt. Auf den letzten fünf Kilometern fuhren die Top-Favoriten mit offenem Visier. Als Erster machte sich Thomas davon, dann ergriffen auch Froome und der Franzose Romain Bardet die Initiative. Die hoch gehandelten Bardet, Nairo Quintana und Vincenzo Nibali gingen letztlich als Verlierer der Kraftspiele hervor. (sid/mv)