Der „Skispringer“ düpiert die Konkurrenz

Für den Slowenen Primoz Roglic (LottoNL-Jumbo) sprang nach langer Flucht als Solist der größte Karriereerfolg. | belga


Staatspräsident Emmanuel Macron konnte bei seiner Tour-Stippvisite keinen Heimsieg bejubeln – die 183 Kilometer lange Etappe von La Mure nach Serre-Chevalier ging an den Slowenen Primoz Roglic (LottoNL-Jumbo), für den nach langer Flucht als Solist der größte Karriereerfolg heraussprang. Den 27-Jährige war am Col de la Croix de Fer mit Alberto Contador (Trek-Segafredo) und weiteren Fahrern ausgerissen, setzte seine entscheidende Attacke am Col du Galibier und ließ sich von den Favoriten nicht mehr einholen. „Es ist verrückt, einfach unglaublich. Ich bin sprachlos. Ich wollte es heute unbedingt versuchen, auch meine Familie und meine Freundin waren heute hier“, jubelte Roglic nach seinem 35-km-Solo-Ritt.

Während „der Skispringer“ – wie er im Feld genannt wird – sich bereits vor der Ziellinie feiern lassen konnte, kämpften die Klassementfahrer bis zum letzten Meter um die Plätze zwei und drei. Uran heimste 1:13 Minuten hinter dem Etappengewinner als Zweiter noch sechs Sekunden Bonifikation ein und der souveräne Froome als Dritter vier, sodass der Titelverteidiger seine Führung in der Gesamtwertung sogar ausbauen konnte – und zwar auf jeweils 27 gegenüber dem neuen Zweiten Uran und Bardet, der das „Maillot Jaune“ im Anstieg zum 2.642 Meter hohen Col du Galibier, dem Dach der diesjährigen Tour, attackiert hatte. Der dreimalige Tour-Champion hatte aber stets eine Antwort parat.

„Ich habe heute alles gegeben, viel hat nicht gefehlt“, kommentierte der 26-jährige Bardet seine Versuche, mit denen er zumindest den bisherigen Gesamtzweiten Fabio Aru (Astana) ins Hintertreffen brachte und die dem Italiener einen Zeitverlust von 30 Sekunden bescherten. Aru fiel auf den vierten Platz des Klassements zurück, auf dem er nun immerhin 53 Sekunden Rückstand aufweist.

Neben Roglic und Froome zählten auch zwei Belgier zu den Gewinnern des Tages. Thomas De Gendt und Serge Pauwels waren lange mit vorne in einer Ausreißergruppe vertreten, De Gendt ist mittlerweile sogar Dritter in der Bergwertung. Warren Barguil mischte allerdings auch wieder bei den Besten mit, wurde Etappenfünfter und sammelte weitere Zähler für das Gepunktete Trikot. Der Franzose hat vor der heutigen letzten Kletterprüfung dieser Tour 49 Punkte Vorsprung auf Roglic und ist erster Kandidat auf das Bergtrikot.

Bei der Bergankunft am Col d`Izoard muss heute auch noch einmal Froome hellwach sein, um seine optimale Ausgangsposition vor dem entscheidenden Einzelzeitfahren am Samstag behaupten zu können. Der Sky-Kapitän zeigte sich nach dem für ihn erfreulichen Tag allerdings zuversichtlich. „Dass ich die Angriffe parieren konnte, liegt daran, dass ich jetzt bessere Beine habe als in den Pyrenäen. Das ist gut für morgen. Das wird morgen die letzte schwere Etappe bei der Tour. Man muss abwarten, was die anderen Fahrer machen, wie meine Form morgen ist“, meinte der Brite, der sich am Donnerstag wieder mit den weiteren Trikotträgern Matthews (Grün), Warren Barguil (Gepunktet) und Simon Yates (Weiß/Nachwuchs) in der ersten Startreihe traditionell von den Fotografen ablichten lassen kann.

Michael Matthews und seinen Teamkollegen Laurens ten Dam und Simon Geschke gelang in der von vielen Attacken geprägten Anfangsphase der Sprung in die rund 30 Fahrer starke Ausreißergruppe, die sich in der Anfahrt zum ersten Berg des Tages bildete. Kurz zuvor war es im Feld bei Kilometer 18 zu einem Massensturz gekommen, bei dem unter anderem auch Kittel, Barguil und Alexander Kristoff (Katusha-Alpecin) zu Boden gingen.

Im 5,1 Kilometer langen und 6,7 Prozent steilen Anstieg zum Col d`Ornon (2. Kat.) lösten sich Matthews und De Gendt (Lotto Soudal) aus der Spitzengruppe und machten die Bergwertung unter sich aus. Dabei schnappte der Australier im Sprint dem Belgier die möglichen zehn Punkte vor der Nase weg, die sich dieser im Fernduell mit Barguil hatte holen wollen.

Den Col de la Croix de Fer, den ersten der zwei Berge der Ehrenkategorie, erreichten De Gendt und Matthews rund eine Minute vor den nächsten Verfolgern und sechs Minuten vor dem Feld. Im Anstieg zog Contador davon, nachdem es Quintana zunächst vergeblich probiert hatte, und erreichte acht Kilometer vor dem Gipfel die Verfolgergruppe.

Kurz darauf schloss Daniel Navarro (Cofidis) zum Spitzenduo auf. Doch die Ausreißer waren nur kurz zu dritt, da bei Matthews die Kräfte schwanden und der zweimalige Etappengewinner schnell zurückfiel. De Gendt sicherte sich am Croix de Fer 20 Punkte. Gleich zu Beginn des 11,9 Kilometer langen Anstiegs kam es zu einem großen Kräfteverschleiß, dem auch De Gendt zum Opfer fiel. Auch Contador musste das Rad wechseln und sich wieder zurückkämpfen.

Roglic war es indes, der sich später die Punkte und 5.000 Euro Preisgeld am Col du Galibier sicherte. Er hatte im oberen Teil des 18 km langen Anstiegs seine Begleiter abgeschüttelt – als letzte Contador und Serge Pauwels (Dimension Data), wogegen alle weiteren Fahrer der ehemaligen Spitzengruppe vom Sky angeführten Feld eingesammelt wurden. Und obwohl Froome & Co zusammenarbeiteten, konnten sie Roglic nicht mehr gefährden. Der Slowene flog mit 1:13 Minuten Vorsprung ins Ziel und freute sich über den größten Erfolg seiner Karriere. (rsn/mv/dpa)